Die Verbreitung von Internet-Memes
Empirische Befunde zur Diffusion von Bild-Sprache-Texten in den sozialen Medien
DOI:
https://doi.org/10.15460/kommges.2018.19.2.599Schlagworte:
Internet, Soziale Medien, Netzwerk, Bild, Text, Diffusion, TwitterRedaktion und Begutachtung
Abstract
Im Kontext des G7-Gipfels im Juni 2015 entstand ein Foto von Angela Merkel und Barack Obama, das Twitter eroberte. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Netzwerkstrukturen, unter denen die Verbreitung des sogenannten Merkel-Memes auf Twitter stattfand. Twitter mit seiner vernetzten Nutzerschaft soll dabei als soziales System verstanden werden, in dem durch memetische Funktionen (u. a. Retweets, Hashtags) Diffusionsprozesse begünstigt werden. Im Rückgriff auf die Annahmen der Diffusionsforschung wurde eine quantitative Inhaltsanalyse der Tweets zum Merkel-Meme (n = 3253) durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Diffusion des Memes maßgeblich von der Beteiligung früher Übernehmergruppen (Rogers 2003) abhängt. Diese zeichnen sich vor allem durch ihre dichte Vernetzung innerhalb des sozialen Systems Twitter aus.
1 Einleitung
Auch wenn die akademische Internet-Meme-Forschung in den letzten fünf Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen hat, ist sie nach wie vor relativ überschaubar (Miltner 2011). Auch in der Kommunikations- und Sprachwissenschaft hat man diesem Phänomen bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Dabei sind Internet-Memes für viele Menschen längst ein fester Bestandteil alltäglicher Kommunikationsroutinen. Darüber hinaus haben sie ein hohes Relevanzpotential in Bezug auf ihren strategischen Einsatz – z. B. im viralen Marketing oder in der politischen Kommunikation (Stichwort Fake News). Gerade die Erforschung ihrer Verbreitungsfaktoren stellt nach wie vor ein Forschungsdesiderat dar (Spitzberg 2014). Indem wir die Verbreitung des sogenannten Merkel-Memes auf Twitter untersuchen, möchten wir einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücke zu schließen.
Im Fokus der Studie steht ein Foto von Angela Merkel und Barack Obama, das zunächst im Zuge des G7-Gipfels 2015 als offizielles Pressefoto entstand und anschließend mit Hilfe des Hashtags #MerkelMeme von den Nutzer_innen des Microblogging-Dienstes Twitter verbreitet wurde.1 Das Bild wurde nicht nur vielfach geteilt, sondern auch auf vielfältige Weise adaptiert (vgl. Abb. 1).
Das Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, den Verbreitungsweg des Merkel-Memes auf Twitter zu rekonstruieren, um so die Frage zu beantworten, welche Akteure mit welchen Eigenschaften bei der Entstehung und erfolgreichen Verbreitung von Internet-Memes beteiligt sind. Die Verbreitungsfaktoren werden insbesondere anhand Rogers’ (2003) diffusionstheoretischen Ansatzes operationalisiert, der sich mit der Verbreitung von Innovationen (hier: die Adaptionen und Replikationen des Merkel-Memes) in einem sozialen System beschäftigt. Demnach sind vier zentrale Bedingungen für die Verbreitung von Innovationen ausschlaggebend: die Eigenschaften der Innovation, der Kommunikationskanal, die Zeit und das soziale System, innerhalb dessen sich die Innovation verbreitet.
Da sich die vorliegende Studie insbesondere mit der Rolle und den Eigenschaften der Nutzenden bei der Verbreitung von Internet-Memes beschäftigt, werden vor allem die Diffusionsbedingungen Kommunikationskanal, Zeit und soziales System betrachtet. Twitter mit seinen vernetzten Nutzern wird hier als ein derartiges soziales System verstanden. Die Vernetzung der Nutzer innerhalb des sozialen Systems sowie seine memetischen Funktionen (Hashtags, Retweets, Favorisierungen) begünstigen die Diffusion von Internet-Memes (Moskopp/Heller 2013: 131ff.). In zeitlicher Hinsicht lässt sich die Diffusion des Merkel-Memes zum einen auf der Mikroebene in Form einzelner Übernahmeentscheidungen rekonstruieren, zum anderen findet die Verbreitung auf der Makroebene durch verschiedene Übernehmergruppen statt (Rogers 2003: 247–264). Wir untersuchen unter anderem die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen im Hinblick auf die Nutzerrollen (Privatpersonen, Journalist_innen etc.) und deren Vernetzungsgrad. Die Bedingung der Innovation selbst werden wir hier nicht ganz ausklammern. Es wird zumindest ein erster explorativer Blick auf die Rolle der sprachlichen Komplexität geworfen.
Im Folgenden möchten wir in Anlehnung an die Diffusions- und Viralitätsforschung den theoretischen Rahmen abstecken (Abschnitt 2), bevor wir daraus konkrete Forschungsfragen generieren (Abschnitt 3). Im Anschluss daran werden wir im methodischen Teil dieses Beitrages die Operationalisierung für die quantitative Inhaltsanalyse offenlegen (Abschnitt 4), bevor wir ausführlich auf die Ergebnisse eingehen (Abschnitt 5), diese diskutieren (Abschnitt 6) und ein kurzes Fazit ziehen (Abschnitt 7).
2 Theoretische Grundlagen
Das Meme-Konzept wurde ursprünglich von Richard Dawkins (1976) entwickelt und geprägt.2 Er wollte damit ein kulturelles Pendant zur genetischen Evolution fassbar machen. Memes sind in diesem Sinne die Replikatoren kultureller Evolutionsprozesse, die von Dawkins (1976: 206) als Informationseinheiten im Gehirn verortet werden: „Examples of memes are tunes, ideas, catch-phrases, clothes fashions, ways of making pots or of building arches.“ Die Evolution der Memes ist wie die biologische Evolution an die Prozesse Replikation, Variation und Fitness gebunden. Gute Replikatoren zeichnen sich durch Langlebigkeit, Fruchtbarkeit und Wiedergabetreue aus (Dawkins 1976: 18f.). Dawkins’ neodarwinistisches Meme-Konzept wurde in der Folgezeit von verschiedenen Disziplinen aufgegriffen, zitiert und weiterentwickelt (Blackmore 2000; Croft 2000; Ritt 2011; Shifman 2014; Spitzberg 2014). Blackmore (2000: 86) vertritt beispielsweise eine sehr weite Auffassung des Konzepts: „Was auch immer durch Imitation weitergegeben wird, ist ein Mem“. Die Definition des Oxford English Dictionary (Meme 2017) fällt folgendermaßen aus: „An element of a culture or system of behavior that may be considered to be passed from one individual to another by nongenetic means, especially imitation”. Bei Memes handelt es sich in dieser Perspektive also letztlich um kulturelle Informationen, von denen angenommen wird, dass sie sich – ähnlich wie in der Genetik – durch Weitergabe von Mensch zu Mensch (insbesondere durch Imitation) vervielfachen.
Der Begriff Internet-Meme lehnt sich zwar an das Meme-Konzept von Dawkins (1976) an, entspricht diesem allerdings nur bedingt (Pauliks 2017). Der Begriff ist vielmehr zu einem der schillerndsten in den sozialen Medien geworden. Er ist mittlerweile eine Sammelbezeichnung für ganz verschiedene Phänomene, die sich auf Twitter, Facebook und anderen Plattformen verbreiten. Die Konjunktur des Begriffes hat letztlich auch zu seiner Ausfaserung beziehungswiese Bedeutungserweiterung geführt.3 Davison (2012: 126) fasst dies folgendermaßen zusammen: „The term ‘meme’ can mean almost anything.“
2.1 Definitionsversuche
Der abstrakte Charakter des Begriffes Internet-Meme zeigt sich an den Versuchen, das Phänomen zu definieren. Marx/Weidacher (2014: 143) geben beispielsweise folgende Erläuterung: „Ein Internet-Meme ist die humoristische/sarkastische Reaktion der Internetgemeinde auf ein (mediales) Ereignis“. Die Definition greift zwar den Gedanken auf, dass es in der Regel um humorvolle Inhalte geht, sie enthält aber keinerlei Bezüge zu diffusiven oder evolutionären Verbreitungslogiken. Es wird weder auf den Aspekt der Imitation noch auf den der Variation Bezug genommen. Bauckhage (2011: 48) definiert Internet-Memes hingegen als Inhalte, die sich viral im Internet verbreiten und rapide an Popularität gewinnen. Er berechnet die Diffusion von Internet-Memes mit Hilfe von Differentialgleichungsmodellen aus der mathematischen Epidemiologie. Auch die etwas elaborierteren Definitionen von Burgess (2008: 1) – „an internet ‚meme’ is a faddish joke or practice (like a humorous way of captioning cat pictures) that becomes widely imitated” – und Davison (2012: 122) – „an Internet meme is a piece of culture, typically a joke, which gains influence through online transmission“ – bleiben relativ abstrakt und oberflächlich.
Den wohl umfassendsten Überblick über die bisherige Internet-Meme-Forschung gibt Shifman (2014). Sie schlägt eine anwendungsorientierte Definition vor, die keinen Bezug auf die inhaltliche Dimension nimmt:
„I define an Internet meme as: (a) a group of digital items sharing common characteristics of content, form, and/or stance, which (b) were created with awareness of each other, and (c) were circulated, imitated, and/or transformed via the Internet by many users“ (Shifman 2014: 41).
Den Ausdruck „group of digital items“ übersetzen wir hier mit Text, indem wir eine weite Auffassung von Text zu Grunde legen, wie sie etwa in der Mediensemiotik (Krah 2013) oder der Diskurslinguistik (van Dijk 2008) vertreten wird. Texte sind demnach alle zeichenhaften Äußerungen, egal welcher medialen Provenienz (Krah 2013: 31). Das umfasst alle Formen von Sprache (egal ob geschrieben oder gesprochen), Bilder, Musik, Videos und andere komplexe semiotische Zeichenverbünde (van Dijk 2008: 116).
Dieser Textbegriff baut im Wesentlichen auf dem Prinzip der Kohärenz auf. Hickethier (2013: 120) spricht von einem „inneren Zusammenhalt, der sich medienwissenschaftlich als Kohärenz beschreiben lässt bzw. durch übergreifende Formen der Gliederung bestimmt wird“. Wir beziehen uns im Folgenden darüber hinaus auf einen interaktionalen und prozessorientierten Kohärenzbegriff, wie er beispielsweise von Fetzer (2012: 448) aufgegriffen wurde. Kohärenz ist demnach keine dem Text inhärente Struktur, sondern ein kognitiver Prozess, in dem Informationen kategorisiert und selektiert werden. Kohärenz wird somit aktiv in der Auseinandersetzung mit dem Text, seinem Kontext oder auch dem sozialen Umfeld konstruiert (Finkbeiner 2015: 104).
Den semiotischen Charakter von Internet-Memes greift Osterroth (2015) in seiner Definition auf, die allerdings auf einen ganz bestimmten Texttyp abzielt, nämlich die Kombination aus Sprache und Bild. Internet-Memes, wie auch das Merkel-Meme, sind demnach „Sprache-Bild-Texte, deren Bedeutungsentfaltung durch kollektive (oft hyperbolisierte) Semiose stattfindet“ (ebd.: 33). Nach Osterroths Auffassung bestehen Internet-Memes aus Bildern der Popkultur, der Politik oder dem Alltag, die von den Nutzenden neu- bzw. re-kontextualisiert werden. Diese Sprache-Bild-Texte folgen in der Regel einem prototypischen Aufbau: Die Grundlage bildet das Bild, das die Nutzenden mit zwei sprachlichen Bausteinen versehen. Der erste Baustein befindet sich im oberen Bereich des Bildes. Er ist meist der Beginn eines „bestimmten semantischen Frames“ (ebd.: 31). Der zweite erscheint dann im unteren Bereich des Bildes und beinhaltet meistens die Pointe (ebd.: 28ff.). Bei diesem Memetypus ist das Bild ein Template, das insbesondere durch sprachliche Modifikationen unbegrenzt neu-kontextualisierbar ist.
Auch die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf diesen speziellen – wenn auch sehr verbreiteten – Memetypus, der in der Regel als „image macro“ (Shifman 2014: 112) bezeichnet wird. Dadurch, dass Memes auch ohne schriftsprachliche Kodes funktionieren können, möchten wir im Folgenden allerdings von Bild-Sprache-Texten beziehungsweise Bild-Sprache-Internet-Memes (BSIM) sprechen, da der Bildanteil bei der multimodalen Bedeutungskonstruktion überwiegt. In Anlehnung an Osterroth unterstreichen wir, dass dieser Memetypus als multimodales Artefakt verstanden werden kann, dessen „Memewerdung“ erst „im Kollektiv möglich“ (Osterroth 2015: 33) ist.
Allgemein lässt sich festhalten, dass Sprache und Bilder die wohl wichtigsten Zeichensysteme sind, um die soziale und kulturelle Lebenswelt vermittel- und verstehbar zu machen (Klemm/Stöckl 2011: 7). Durch die spezifischen Anforderungsbedingungen des Web 2.0 wie Partizipation und die vielfältigen Möglichkeiten zur Selbstdarstellung in den sozialen Medien hat die bildliche Kommunikation deutlich an Bedeutung gewonnen (Marx/Weidacher 2014: 177). Internet-Memes können die bildliche und sprachliche Kommunikation dabei auf ideale Weise miteinander verbinden.
2.2 Die Verbreitung von Bild-Sprache-Internet-Memes
Die Verbreitungsbedingungen von BSIM sind bisher kaum erforscht. Es sind allerdings einige Ähnlichkeiten zum Viralitätskonzept evident (Shifman 2014: 55). Es sei an dieser Stelle auf die unübersichtliche Definitionsgrundlage des Viralitätsbegriffes hingewiesen (Porter/Golan 2006: 27; Golan/Zaidner 2008: 961). Im Kontext der Verbreitung von BSIM erweisen sich dennoch zwei Ansätze als zielführend. Mit Fokus auf die Diffusion durch Replikation beschreibt Welker (2002: 4) virale Kommunikation als „strategies that allow an easier, accelerated, and cost reduced transmission of messages by creating environments for a self-replicating, exponentially increasing diffusion, spiritualization, and impact of the message“. Gladwell (2002: 92) betont im Zuge seiner Theorie des „Tipping Point” zudem die inhaltliche Dimension viraler Botschaften:
„In epidemics, the messenger matters: messengers are what make something spread. But the content of the message matters too. And the specific quality that a message needs to be successful is the quality of ‘stickiness’. Is the message […] memorable? Is it so memorable, in fact, that it can create change, that it can spur someone to action?“
Was Gladwell hier mit seiner Idee der „stickiness“ andeutet, lässt sich bei der Verbreitung von Internet-Memes auf Dawkins’ (1976) Eigenschaften guter Replikatoren übertragen: Verbreitet sich die Information über das Internet, oder wie im Fall des Merkel-Memes über den Microblogging-Dienst Twitter, kann die Replikation einer Nachricht positiv beeinflusst werden, da ihre verlustfreie Übertragung durch die digitale Weitergabe ermöglicht wird (Wiedergabetreue). Die Onlinekommunikation begünstigt dabei orts- und zeitunabhängig ihre schnelle exponentielle Verbreitung (Fruchtbarkeit). Hinzu kommt, dass die Botschaft durch die Speicherfunktion des Internets erhalten bleibt (Langlebigkeit) (Renker 2008: 24).
Internet-Memes unterscheiden sich allerdings von viralen Inhalten ganz grundlegend in der Anzahl der Versionen, die im Adaptionsprozess entstehen. Während im Zuge viraler Prozesse eine einzelne Version verbreitet wird, beruht die Memetik auf der Erstellung vieler Adaptionen im sozialen System. Da BSIM wie beispielsweise das Merkel-Meme aber häufig auf der Variation des sprachlichen Anteils bei konstantem Bildelement beruhen, sind diese nicht eindeutig in diese Dichotomie einzuordnen. Vielmehr weisen sie Eigenschaften beider Verbreitungsarten auf. Dies verortet Shifman (2014: 59) im Konzept des „founder-based meme“. Demnach kann im Fall des Merkel-Memes das ursprüngliche Bild von Angela Merkel und Barack Obama als das eigentliche prominente und virale Element betrachtet werden, das im Anschluss vor allem auf sprachlicher Ebene ergänzt sowie variiert wird und dadurch zur Entstehung neuer Adaptionen führt (ebd.: 63). Aus diesem Grund sollen neben den bereits ausgeführten Erkenntnissen der noch jungen Internet-Meme-Forschung auch Befunde aus der Viralitätsforschung Eingang finden, um den Zusammenhang beider Felder bei der Verbreitung von Internet-Memes weiter zu explorieren.
Mit der Verbreitung von Informationen beschäftigt sich vor allem die Diffusionsforschung, auf Basis derer im Folgenden auch die Verbreitung von BSIM operationalisiert wird. Diffusion beschreibt dabei den Prozess „by which an innovation is communicated through certain channels over time among the members of a social system“ (Rogers 2003: 5). Sie setzt sich also konkret mit der Frage auseinander, wie sich Innovationen in sozialen Systemen über die Zeit ausbreiten (Bilandzic/Koschel 2016: 123). Rogers (2003: 10) definiert Innovation als „idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption“. Da die Adaption von Internet-Memes auf der Variation der sprachlichen und/oder bildlichen Komponente beruht, werden diese Adaptionen als Innovationen betrachtet, die dann in dem jeweiligen sozialen System diffundieren. Damit sind folgende diffusionstheoretisch verankerten Dimensionen für die Verbreitung von BSIM von Interesse: die Innovation, der Kommunikationskanal, die Zeit und das soziale System (Rogers 2003: 10).
2.2.1 Innovation
Die Diffusion einer Innovation in einem sozialen System ist sowohl vom Grad der relativen Neuheit abhängig (Rogers 2003: 12) als auch von deren Qualität (Gladwell 2002: 92). Dabei wurde festgestellt, dass Kompatibilität die Übernahmewahrscheinlichkeit fördert (Rogers 2003: 15; Spitzberg 2014: 318). Kompatibilität meint die Vereinbarkeit einer Innovation mit bestehenden Werten und Einstellungen, bereits eingeführten Ideen oder den Bedürfnissen des Übernehmers (Fliegel/Kivlin 1966: 246). Die Viralitätsforschung zeigt dabei, dass vor allem emotional aufgeladene und humorvolle Inhalte sowie intertextuelle Bezüge die Weiterleitung begünstigen (Berger 2014; Berger/Milkman 2012; Porter/Golan 2006; Kim 2015; Phelps et al. 2004; Brown et al. 2010; Hack/Schumann 2011; Segev et al. 2015).
Weitere Faktoren, die die Übernahmewahrscheinlichkeit von BSIM positiv beeinflussen könnten, sind die Erprobbarkeit und die Re-Inventionsmöglichkeit (Rogers 2003: 17). Die Re-Invention von Memes wird durch sog. Meme-Generatoren befördert. So ist es denkbar, dass die Übernehmenden das Meme-Template in einer veränderten Weise nutzen, indem sie es sprachlich neu kontextualisieren. Die Retweet-Funktion bei Twitter bietet dann das Potenzial die Re-Invention bzw. Meme-Adaptionen im sozialen System zu erproben und damit zu deren Diffusion beizutragen. Besteht nämlich die Möglichkeit, die Anwendung der Innovation bei anderen Nutzern zu sehen, wird die Übernahmewahrscheinlichkeit abermals gesteigert (Rogers 2003: 16).
Diffusionstheoretische Untersuchungen zur Übernahmewahrscheinlichkeit einer Innovation müssen auch deren Komplexitätsgrad berücksichtigen. Dabei ist anzunehmen, dass eine besonders komplexe Innovation eine verringerte Übernahmewahrscheinlichkeit aufweist (Rogers 2003: 17). Die Frage, inwieweit die Komplexität von BSIM deren Verbreitung beeinflusst, wird in diesem Beitrag Gegenstand einer ersten Exploration sein. Da es sich im Fall des Merkel-Memes um ein prototypisches BSIM handelt, das überwiegend auf sprachlicher Ebene variiert wird, nehmen wir zunächst die sprachliche Komplexität in den Fokus (Osterroth 2015: 31).
2.2.2 Kommunikationskanal
Rogers (2003) postuliert, dass der Kommunikationskanal eine entscheidende Rolle für die Diffusion von Innovationen spielt. In diesem Zusammenhang sind vier Punkte relevant:
„(1) an innovation, (2) an individual or other unit of adoption that has knowledge of the innovation or experience with using it, (3) another individual or other unit that does not yet have experience with the innovation, and (4) a communication channel connecting the two units“ (Rogers 2003: 18).
Nicht erst seit Donald Trump ist der Microblogging-Dienst Twitter einer der wichtigsten Kommunikationskanäle der sozialen Medien. Die Nutzenden sind hier unterschiedlich stark miteinander vernetzt. Der Grad dieser Vernetzung lässt sich wiederum an deren Persönlichkeitsmerkmalen festmachen. Extravertierte Nutzer sind stärker bei Twitter und in anderen sozialen Medien vernetzt (Acar/Polonsky 2008; Schrammel et al. 2009; Selfhout et al. 2010; Chen 2010; Quercia et al. 2011; Plank/Hovy 2015), was wiederum die Diffusion von BSIM begünstigen könnte. Ausserhofer/Maireder (2013) konnten außerdem inhalts- und netzwerkanalytisch zeigen, dass sich der Grad der Transparenz der Nutzerangaben des jeweiligen Twitter-Profils (Klarname, Geschlecht, Nutzerrolle) positiv auf die Verbreitung von Inhalten auswirkt.
2.2.3 Zeit
Hinsichtlich der zeitlichen Dimension muss zwischen der Mikro- und der Makroebene unterschieden werden (Rogers 2003). Auf der Mikroebene steht der konkrete Zeitpunkt der Übernahme einer Innovation durch die Twitter-Nutzer_innen im Fokus. Dadurch kann die temporale Diffusion des Merkel-Memes rekonstruiert werden. Die Verbreitung der Meme-Adaptionen wird dabei als kumulierte Adaptionsrate über die Zeit verstanden. Auf der Makroebene ist die Zeit bedeutend für die nutzerübergreifende Verbreitung einer Innovation innerhalb eines sozialen Systems. Die Verbreitung findet idealtypisch in Form einer S-Kurve statt. Dabei ergeben sich nach Rogers (2003: 247–264) fünf verschiedene Übernehmergruppen, die sich maßgeblich in ihrer Anzahl und in ihren Persönlichkeitseigenschaften unterscheiden: Innovatoren, frühe Übernehmer, frühe Mehrheit, späte Mehrheit und Nachzügler (vgl. Abb. 2).
Zu Beginn des Diffusionsprozesses besteht noch eine verhältnismäßig geringe Übernahmerate. An dem Punkt der kritischen Masse entscheidet sich, ob die Mehrheit der Individuen in einem sozialen System eine Innovation übernehmen wird, ihre Diffusion also rapide ansteigt oder sich die Innovation nicht durchsetzen kann. Für die erfolgreiche Diffusion einer Innovation sind in erster Linie die Innovatoren und frühen Übernehmer verantwortlich. Diese Übernehmergruppen sind in der Regel gut vernetzt und gelten als Meinungsführer (Rogers 2003). Ob sie tatsächlich die Verbreitung von Informationen wie BSIM fördern, ist ein umstrittenes Thema in der Diffusionsforschung (Spitzberg 2014: 321–323). Einerseits haben empirische Arbeiten gezeigt, dass gut vernetzte Meinungsführer entscheidend zur Verbreitung und Sichtbarkeit von Informationen beitragen (Flynn et al. 1996; Gladwell 2002; Dholakia et al. 2004; Cha et al. 2010; Iyengar et al. 2011; Luarn et al. 2014). Andererseits deuten einige Studien darauf hin, dass die Diffusion von Innovationen nicht zwangsläufig von gut vernetzten Meinungsführern, sondern von Faktoren wie zum Beispiel sozialer Ähnlichkeit oder Aufnahmebereitschaft abhängig ist (Watts 2007; Watts/Dodds 2007; Harrigan et al. 2012; Weng et al. 2013; Zhang et al. 2015).
2.2.4 Soziale Systeme
An den Faktor Zeit schließt sich die Frage nach der Beschaffenheit der sozialen Systeme bei der Diffusion von BSIM an. Sowohl die zeitlichen Dimensionen als auch das soziale System befinden sich in einem interdependenten Verhältnis zur Innovationsdiffusion (Rogers 2003: 247ff.). Dabei sind drei verschiedene Konstellationen denkbar: Ein stabiles Gleichgewicht besteht, wenn sich keine Innovation in einem sozialen System verbreitet. Ein dynamisches Gleichgewicht besteht, wenn sich Innovationen in dem Maße verbreiten, wie sich das soziale System daran anpassen kann. Ein Ungleichgewicht herrscht, wenn der diffusionsbedingte Wandel zu schnell voranschreitet, als dass sich das soziale System daran anpassen könnte. Die Folge wäre hier das Scheitern der Diffusion (ebd.: 24–31).
Die Diffusion von Innovationen wird auf Twitter zum einen durch die Vernetzung der Nutzer_innen befördert, zum anderen spielt die Microblogging-Memetik (u. a. Hashtags, Retweets) eine wichtige Rolle (Moskopp/Heller 2013: 129ff.). So konstituiert der Hashtag #MerkelMeme ein temporäres soziales System, in dem die Nutzenden einen gemeinsamen Kommunikationsanlass haben. Gleichzeitig gewährleistet der Hashtag die Auffindbarkeit der Inhalte. Außerdem tragen Retweets und Favorisierungen zur Sichtbarkeit und Verbreitung einer Meme-Adaption innerhalb des Systems bei. Dabei ist bisher nicht erforscht, wie sich die verschiedenen Übernehmergruppen in ihrem Einsatz der memetischen Funktionen unterscheiden.
3 Forschungsfragen
Unsere Forschungsfragen greifen die oben skizzierten Diffusionsbedingungen nach Rogers (2003) auf. In Bezug auf den Kommunikationskanal bzw. die Vernetzung der Nutzenden ist – wie in der theoretischen Herleitung beschrieben (Abschnitt 2.2.2) – ein Einfluss auf die Diffusion des Merkel-Memes zu erwarten. Dabei wird der Vernetzungsgrad von uns als Eigenschaft der Nutzenden verstanden. Die Nutzer_innen identifizieren wir wiederum mit den Informationen des jeweiligen Nutzerprofils.
FF1: Welche Eigenschaften der Nutzer tragen zur Verbreitung des Merkel-Memes bei?
Da die zeitliche Dimension eine zentrale Rolle für Diffusionsprozesse spielt, berücksichtigen wir sowohl die Mikro- als auch die Makroebene (Abschnitt 2.2.3).
FF2a: Wie verbreitete sich das Merkel-Meme auf Twitter? (Mikroebene)
FF2b: Wodurch zeichnen sich die verschiedenen Übernehmergruppen aus? (Makroebene)
Hinsichtlich des sozialen Systems beziehen wir die memetischen Funktionen von Twitter in unsere Überlegungen mit ein (Abschnitt 2.2.4) und setzen diese ins Verhältnis zu den von Rogers (2003) definierten Übernehmergruppen.
FF3: Unterscheiden sich die Übernehmergruppen im Einsatz der memetischen Funktionen?
Die Rolle der Eigenschaften der Innovation selbst wird in diesem Beitrag Gegenstand einer ersten Annäherung sein. Da die Übernahmewahrscheinlichkeit einer Innovation in Zusammenhang mit ihrem Komplexitätsgrad zu denken ist (Abschnitt 2.2.1), fragen wir zunächst, inwiefern die sprachliche Komplexität, die wir hier sehr vereinfacht mit der Länge und dem Umfang von sprachlichen Einheiten identifizieren, einen Einfluss auf die Diffusion des Merkel-Memes hat.
4 Methode
4.1 Datenbasis und methodisches Vorgehen
Ziel dieses Beitrages ist es, den Verbreitungsweg des Merkel-Memes auf Twitter zu rekonstruieren. So kann die Frage beantwortet werden, welche Akteure bzw. Nutzer_innen bei der Entstehung und Verbreitung von Internet-Memes beteiligt sind. Hierfür stand ein vollständiger Datensatz zur Verfügung, der alle Tweets mit dem Hashtag #MerkelMeme im Zeitraum zwischen 8. und 30. Juni 2015 enthielt (N = 4475).4 Formale Variablen wie beispielsweise der Zeitpunkt der Tweets, die Anzahl der Favorisierungen, die Anzahl der Retweets sowie spezifische Informationen zu den jeweiligen Nutzenden waren durch die automatisierte Datenabfrage bereits in der Datenbasis enthalten.
Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde schließlich eine quantitative Inhaltsanalyse (Rössler 2010) der Tweets durchgeführt. Die einzelnen Analyseeinheiten stellten dabei die Nutzenden, die einzelnen Tweets sowie die jeweils darin enthaltenen Meme-Adaptionen dar. Drei intensiv geschulte Codierer codierten die Daten nach den Vorgaben des Codebuchs. Nach einem Pretest, weiteren Modifikationen am Codebuch und einer erneuten Codierschulung wurde im Anschluss die Haupterhebung durchgeführt. Dabei wurden zufriedenstellende Reliabilitätswerte erreicht (Krippendorf’s \(α = .86 - 1\)). Die anschließende Auswertung der Daten erfolgte in IBM SPSS Statistics.
4.2 Operationalisierung
Die Kategorien der Inhaltsanalyse basieren auf dem ausgeführten theoretischen Rahmen und dem Forschungsstand zur Informationsdiffusion im Internet. Da sich die vorliegende Studie insbesondere mit der Rolle der Nutzenden bei der Verbreitung von Internet-Memes beschäftigt, werden vor allem die Diffusionsfaktoren Kommunikationskanal, Zeit und soziales System (Rogers 2003) betrachtet. Für den Faktor Innovation sollen erste explorative Erkenntnisse mit Blick auf die sprachliche Komplexität der Adaptionen des Merkel-Memes generiert werden.
4.2.1 Kommunikationskanal
Wie bereits angesprochen wurde, kann Twitter als System miteinander vernetzter Nutzender verstanden werden, das heißt als Kommunikationskanal. Der Grad dieser Vernetzung wird durch die jeweilige Anzahl der Follower, die Anzahl der Follows und die Zahl der Listeneinträge beschrieben (Kaushik 2010: 272). Es ist zu erwarten, dass die Diffusion der Meme-Adaptionen in Zusammenhang mit diesen Kennzahlen steht. Sie werden folglich als Indikatoren für die Vernetzung der Nutzer herangezogen.
Wie außerdem gezeigt werden konnte, wirkt sich auch Transparenz auf die Weiterverbreitung von Inhalten auf Twitter aus (Ausserhofer/Maireder 2013). Daher wurde codiert, ob die Nutzenden ihren Klarnamen angegeben hatten und ob das Geschlecht erkennbar war.5 Ferner wurde jeweils eine Nutzerrolle codiert. Hierunter ist die jeweilige Diskursrolle der Nutzenden auf Twitter zu verstehen. Die Bildung der Kategorien basierte auf den Nutzerangaben auf den einzelnen Twitter-Profilen und erfolgte zunächst induktiv. Anschließend wurden daraus fünf übergeordnete Kategorien abgeleitet: Privatnutzer_innen, Politiker_innen, Journalist_innen, Expert_innen6 und Marken.
4.2.2 Zeit
Der Faktor Zeit wird auf der Mikroebene durch den Innovationsentscheidungsprozess beschrieben (Rogers 2003). Im Vordergrund steht also in diesem Fall die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich eine Nutzerin oder ein Nutzer dazu entscheidet eine eigene Meme-Adaption zu twittern oder eine bereits vorhandene Adaption zu retweeten. Die Verbreitung der Meme-Adaptionen soll daher als kumulierte Adaptionsrate über die Zeit verstanden und schließlich als Lebenszyklusmodell sichtbar gemacht werden.
Auf der Makroebene findet die Diffusion in einzelnen Übernehmergruppen statt. Die Operationalisierung folgt dabei der von Rogers (2003) festgelegten Klassifizierung und Quantifizierung. Daher wurden die ersten 2.5 Prozent der Nutzenden, die an der Verbreitung des Merkel-Memes beteiligt waren, den Innovatoren zugeschrieben. Die nächsten 13.5 Prozent stellte die frühe Mehrheit dar. Mit jeweils 34 Prozent folgten die Gruppen der frühen und der späten Mehrheit. Die letzten 16 Prozent waren die Nachzügler.7 Hier gilt es herauszufinden, wie sich die einzelnen Nutzerrollen auf die verschiedenen Stadien der Meme-Diffusion auf der Makroebene verteilen.
4.2.3 Soziales System
In Bezug auf das soziale System stellen die Microblogging-Memetik (Moskopp/Heller 2013: 129ff.) und die Vernetzung der Nutzenden wichtige Voraussetzungen für die Verbreitung der Adaptionen des Merkel-Memes unter der Bedingung eines dynamischen Gleichgewichtes dar. Während der Hashtag #MerkelMeme als Aufgreifkriterium zur Identifizierung relevanter Tweets diente, wurden die Anzahl der Retweets und die Anzahl der Favorisierungen als Indikatoren für die Verbreitung und Sichtbarkeit der Meme-Adaptionen in dem sozialen System verwendet. Daraus wurde ein summativer Sichtbarkeitsindex berechnet. Dabei wurde die Anzahl der Retweets doppelt gewichtet, da diese Funktion direkt zur Diffusion beiträgt. So werden diese sofort im Newsfeed bei Twitter angezeigt, wohingegen die Anzahl der Favorisierungen indirekt zur Positionierung im Newsfeed beiträgt. Der Sichtbarkeitsindex dient vor allem als abhängige Variable.
4.2.4 Innovation
Aus diffusionstheoretischer Sicht ist davon auszugehen, dass mit steigender Komplexität der Meme-Adaptionen deren Übernahmewahrscheinlichkeit sinkt (Rogers 2003: 17). Da es sich im Fall des Merkel-Memes um ein prototypisches BSIM handelt, das überwiegend auf sprachlicher Ebene variiert wird, soll dabei die sprachliche Komplexität untersucht werden (Osterroth 2015: 31). Demzufolge dient die Anzahl der Zeichen, Wörter und Sätze in den jeweiligen Meme-Adaptionen als Indikator für deren sprachliche Komplexität.
5 Ergebnisse
Von allen Tweets mit dem Hashtag #MerkelMeme, die im Untersuchungszeitraum analysiert wurden (N = 4475), enthielt der Großteil (n = 3253) einzelne Meme-Adaptionen, die zur weiteren Auswertung betrachtet wurden. Die übrige Metakommunikation zum Merkel-Meme (n = 1222) wird in dieser Studie nicht eingehender beleuchtet. Dabei lagen in knapp einem Viertel (n = 785) der Fälle originäre Meme-Adaption vor, wohingegen der Rest (n = 2468) aus Retweets dieser Adaptionen bestand (\(χ²(4, n = 3253) = 204.39\), \(p < .000\), Cramers’s V = .21). Je nach Analyseeinheit werden nachfolgend entweder die originären Meme-Adaptionen in den Tweets oder die Gesamtheit der Nutzer über Tweets und Retweets hinweg betrachtet, weshalb die zugrunde gelegten Fallzahlen variieren können.
Bereits die deskriptive Statistik zeigt, dass die originären Meme-Adaptionen ganz unterschiedliche Sichtbarkeitswerte erreichen (M = 12.46, SD = 46.35). Während manche Adaptionen 0 Punkte erhalten, kommt die sichtbarste Variante auf einen Indexwert von 815 Punkten. Es wurde zum Zeitpunkt der Datenerhebung 447 Mal favorisiert und 184 Mal geretweetet. Es stellt sich daher die Frage, welche Faktoren den Erfolg des Merkel-Memes bestimmen und damit zu dessen Verbreitung beitragen.
5.1 FF1: Nutzereigenschaften
Die erste Forschungsfrage betrifft die Eigenschaften der Nutzenden bei der Verbreitung der Adaptionen des Merkel-Memes. Hierzu wurde zunächst überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen der Vernetzung der Nutzenden und der Sichtbarkeit der Meme-Adaptionen besteht. Die Rangkorrelation nach Spearman zeigt signifikante Zusammenhänge zwischen der Anzahl der Follower (rsp = .47, p < .000), der Anzahl der Follows (rsp = .27, p < .000) sowie der Anzahl der Listeneinträge (rsp = .40, p < .000) und dem Sichtbarkeitsindex. Je stärker die Nutzenden also untereinander vernetzt waren, desto sichtbarer waren ihre Meme-Adaptionen.
Weiterhin wurde überprüft, wie sich die Transparenz der Nutzerprofile, also in diesem Fall die der Urheber_innen der Meme-Adaptionen auf die Diffusion des Memes auswirkt. Dabei wurde zunächst untersucht, ob die Angabe des Klarnamens einen Einfluss auf die Sichtbarkeit der Meme-Adaptionen hat. Allerdings zeigt der T-Test, dass Meme-Adaptionen, die unter Angabe des Klarnamens getwittert wurden (M = 15.83, SD = 44.11) sich nicht signifikant von solchen unterschieden, bei denen der Klarname nicht eindeutig erkennbar war (M = 9.60, SD = 48.03) (t(778) = 1.90, p = .06).
Ein differenziertes Bild ergibt sich in Bezug auf die Erkennbarkeit des Geschlechtes der tweetenden Nutzer_innen. Hier liefert der T-Test signifikante Unterschiede (t(775) = 4.11, p < .000). Demnach sind Adaptionen, deren Urheber_innen eindeutig als weiblich, männlich oder als Institution erkennbar waren, signifikant sichtbarer (M = 14.62, SD = 51.52) als solche, die von nicht eindeutig identifizierbaren Nutzenden stammten (M = 4.71, SD = 16.02).
Mit Blick auf die Verteilung der Nutzerrollen bei Urheber_innen der Meme-Adaptionen wird deutlich, dass der Großteil der Resonanz zum Merkel-Meme durch Privatnutzende entstand. Als zweitstärkste Gruppe folgten Nutzende aus dem Bereich Journalismus. Zusammen bestritten diese beiden Gruppen 90 Prozent des gesamten Meme-Aufkommens. Weitere Nutzerrollen wie Expert_innen, Marken und Politik spielten bei der Diffusion des Merkel-Memes eine eher untergeordnete Rolle (vgl. Abb. 3).
Bei genauerer Betrachtung der beiden größten Gruppen fällt auf, dass besonders sichtbare Meme-Adaptionen vor allem aus dem journalistischen Bereich stammten. Im Gegensatz zu denen der Privatnutzer (M = 8.79, SD = 43.42) erreichten ihre Meme-Variationen signifikant höhere Sichtbarkeitswerte (M = 20.62, SD = 52.90) (t(319) = 2.83, p = .01). Dies überrascht nicht, da anzunehmen ist, dass gerade Journalist_innen sowie Medienorganisationen aufgrund ihrer Diskursrolle als Meinungsführer stärker vernetzt sind als solche Personen, die Twitter rein privat nutzen. Die Daten bestätigen diese Annahme. So erzielen Nutzende aus dem Journalismus eine höhere Reichweite. Sie haben signifikant mehr Follower (M = 51147.95, SD = 272633.69) als Privatnutzer_innen (M = 7672.73, SD = 150560.70) (t(256) = 2.15, p = .03). Auch die Zahl der Listeneinträge ist signifikant größer (M = 305.46, SD = 1085.58) als bei der privaten Nutzerschaft (M = 45.13, SD = 371.53) (t(222) = 3.35, p = .001).
In Bezug auf die Nutzereigenschaften kann daher also zusammengefasst werden, dass sichtbare Adaptionen des Merkel-Memes vor allem auf Nutzende aus dem Journalismus zurückzuführen sind. Eine gute Vernetzung und eine hohe Transparenz wirken sich dabei positiv auf die Diffusion der Meme-Adaptionen aus.
5.2 FF2a: Verbreitung auf der Mikroebene
Die Verbreitung des Merkel-Memes auf der Mikroebene zeigt eine über die Zeit abfallende Präsenz der Tweets und Retweets. 94 Prozent (n = 4221) des gesamten Aufkommens konzentriert sich auf die ersten vier Tage. 45 Prozent (n = 2003) der Tweets entfallen auf den ersten und 35 Prozent (n = 1565) auf den zweiten Tag. Mit elf Prozent (n = 505) lässt die Sichtbarkeit dann am dritten Tag deutlich nach. Am vierten Tag machen die Tweets zum Merkel-Meme sogar nur noch drei Prozent (n = 148) der gesamten Resonanz aus (vgl. Abb. 4). Die Verbreitung erinnert dabei stark an die typischen Lebenszyklusmodelle der Diffusionsforschung.
Betrachtet man nun die Tweets, die auch Meme-Adaptionen enthalten, wird deutlich, dass der Anteil der Tweets mit originären Adaptionen am ersten Tag noch am höchsten ist und in der Folge sukzessive abnimmt. Weist am ersten Tag noch knapp jeder dritte Tweet eine originäre Meme-Adaption auf, trifft dies am vierten Tag nur noch auf jeden achten Tweet zu. Dagegen nimmt der Anteil an Retweets im Zeitverlauf weiter zu (vgl. Tab. 1). Die Befunde illustrieren einen hohen Stellenwert des Faktors Zeit auf der Mikroebene bei der Diffusion des Merkel-Memes.
Tweets | Retweets | Gesamt | ||||||||
n | % | n | % | n | % | |||||
Tag 1 (08. Juni) | 464 | 29.1 | 1131 | 70.9 | 1595 | 100 | ||||
Tag 2 (09. Juni) | 245 | 21.2 | 908 | 78.8 | 1153 | 100 | ||||
Tag 3 (10. Juni) | 56 | 16.1 | 291 | 83.9 | 347 | 100 | ||||
Tag 4 (11. Juni) | 20 | 12.7 | 137 | 87.3 | 157 | 100 | ||||
χ²(3, n = 3253) = 49.89, p < .000, Cramers’s V = .12 |
5.3 FF2b: Verbreitung auf der Makroebene
Ein weiterer zeitbezogener Faktor ist die Verbreitung des Memes auf der Makroebene. Die Diffusion vollzieht sich dabei durch die aktive Adaption und Replikation verschiedener Übernehmergruppen. Tab. 2 zeigt die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen im Hinblick auf die Nutzerrollen. Nutzende aus dem Bereich Journalismus sind demnach vor allem in den Gruppen der Innovatoren und frühen Übernehmer zu finden. Privatnutzende erreichen ihre größten Anteile in den Gruppen der frühen Mehrheit, der späten Mehrheit und der Nachzügler. Am seltensten sind sie unter den Innovatoren zu finden.
Privat | Journalismus | Experten | Marken | Politik | ||||||
n | % | n | % | n | % | n | % | n | % | |
Innovatoren | 42 | 53 | 33 | 41 | 3 | 4 | 2 | 2 | 0 | 0 |
Frühe Übernehmer | 299 | 72 | 89 | 21 | 12 | 3 | 10 | 2 | 7 | 2 |
Frühe Mehrheit | 849 | 80 | 115 | 11 | 37 | 4 | 14 | 1 | 39 | 4 |
Späte Mehrheit | 815 | 78 | 124 | 12 | 61 | 6 | 20 | 2 | 21 | 2 |
Nachzügler | 380 | 76 | 66 | 13 | 28 | 6 | 13 | 3 | 10 | 2 |
χ²(16, n = 3089) = 104.45, p < .000, Cramers’s V = .09 |
Dieser Befund mag nicht überraschen, zumal Journalist_innen wie auch Medienorganisationen eine genuine Affinität für aktuelle Trends in den sozialen Medien besitzen, zu denen auch Internet-Memes zählen. Zudem handelt es sich im Fall des Merkel-Memes um ein Meme, das sich im Kontext eines politischen Großereignisses verbreitet hat und somit einen gewissen Nachrichtenwert besitzt. Was sich auf der Ebene des Kommunikationskanals bereits angedeutet hat wird an dieser Stelle nochmals evident: Die Diffusion des Merkel-Memes ist maßgeblich auf die Beteiligung früher Übernehmergruppen zurückzuführen, die sich durch eine dichte Vernetzung auf Twitter auszeichnen.
Ebenso lässt sich dieser Umstand an den Sichtbarkeitswerten ablesen. Meme-Adaptionen der Innovatoren (M = 31.18, SD = 69.03) und frühen Übernehmer (M = 23.41, SD = 80.46) erlangten signifikant mehr Resonanz als jene der frühen Mehrheit (M = 10.56, SD = 36.36), der späten Mehrheit (M = 6.36, SD = 18.21) und der Nachzügler (M = 6.38, SD = 14.72) (F(4,780) = 5.30, p < .000). Somit kann die in der Diffusionsforschung postulierte Rolle der frühen Übernehmergruppen als Meinungsführer also auch für die Verbreitung von Internet-Memes bestätigt werden.
5.4 FF3: Einsatz der memetischen Funktionen
An den Faktor Zeit schließt sich die Frage nach der Beschaffenheit des sozialen Systems bei der Diffusion des Merkel-Memes an. Wie es sich bei der Verbreitung auf Mikroebene bereits angedeutet hat, ist von einem dynamischen Gleichgewicht auszugehen, in dem das Meme weder zu schnell noch zu langsam in den jeweiligen Übernehmergruppen diffundiert.
Hinsichtlich des Einsatzes der memetischen Funktionen bei Twitter lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen erkennen. Demnach tendieren die Innovatoren, die frühen Übernehmer und die frühe Mehrheit eher dazu, eigene Meme-Adaptionen zu entwickeln und zu streuen, wohingegen die späte Mehrheit und die Nachzügler sich eher auf das Retweeten dieser Adaptionen fokussieren (vgl. Tab. 3).
Tweets | Retweets | Gesamt | ||||
n | % | n | % | n | % | |
Innovatoren | 39 | 48 | 43 | 52 | 82 | 100 |
Frühe Übernehmer | 154 | 35 | 285 | 65 | 439 | 100 |
Frühe Mehrheit | 285 | 26 | 821 | 74 | 1106 | 100 |
Späte Mehrheit | 228 | 21 | 878 | 79 | 1106 | 100 |
Nachzügler | 79 | 15 | 441 | 85 | 520 | 100 |
χ²(4, n = 3253) = 85.11, p < .000, Cramers’s V = .16 |
5.5 Sprachliche Komplexität
Die vierte Dimension, die bei der Diffusion des Merkel-Memes betrachtet werden soll, ist das Meme an sich. Hier möchte die vorliegende Studie erste explorative Einblicke generieren. Es wird überprüft, welchen Einfluss die sprachliche Komplexität auf die Verbreitung ausübt. Die Annahmen aus der Diffusionsforschung lassen dabei vermuten, dass eine hohe Komplexität die Übernahmewahrscheinlichkeit verringert. Die Komplexität der Sprache in den Meme-Adaptionen wurde anhand der sprachlichen Länge auf Zeichen-, Wort- und Satzebene gemessen. Die Datenanalyse zeigt, dass kein Zusammenhang zwischen der Sichtbarkeit der Meme-Variationen und der Sprachkomplexität besteht. Weder die Zeichen- (rsp = .07, p = .08), noch die Wort- (rsp = .06, p = .14) oder Satzzahl (rsp = .06, p = .15) korrelieren mit der Sichtbarkeit der Meme-Adaptionen. Dies ist sicherlich ein Hinweis darauf, dass Komplexität in Bezug auf Internet-Memes ein mehrdimensionales Konstrukt ist. Obwohl das Bild in dem prototypischen Aufbau der Merkel-Meme-Adaptionen relativ konstant ist, erfolgen zum Teil auch visuelle Variationen. Mit Blick auf die Frage nach der Komplexität von Internet-Memes muss daher künftig auch das Bild und der Zusammenhang zwischen Bild und Sprache stärker theoretisch, methodisch und empirisch einbezogen werden.
6 Diskussion
Ziel dieses Beitrages war es, die Verbreitung des Merkel-Memes auf Twitter zu analysieren. Im Rückgriff auf Theorien und Befunde der Diffusionsforschung (u. a. Rogers 2003) sollte dabei die Rolle der Nutzenden bei der Entstehung und Verbreitung von Internet-Memes näher betrachtet werden. Die Ergebnisse der quantitativen Inhaltsanalyse lassen Rückschlüsse auf unterschiedliche Erfolgs- und Verbreitungsbedingungen von Internet-Memes zu, aus denen sich vor allem im Kontext des politischen Memes (Shifman 2014; Ross/Rivers 2017) konkrete Implikationen für deren strategischen Einsatz ableiten lassen.
Die Analyse der Verbreitung des Merkel-Memes auf der Mikroebene verdeutlicht, dass die zeitlichen Entscheidungspunkte der Nutzer_innen, die zu dem Thema getweetet haben, sehr dicht beieinander lagen. Der Großteil der Tweets wurde sogar innerhalb der ersten vier Tage nach Aufkommen des Themas abgesetzt, wobei die Resonanz zyklisch nachließ. Dies führt einmal mehr zu der Frage, inwieweit die moderne Internet-Memetik im Zusammenhang mit viralen Verbreitungsprozessen steht (Shifman 2014). Reichweitenstarke Portale wie beispielsweise buzzfeed.com, 4chan.org oder 9gag.com, sogenannte Content Aggregators, nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Diese sind ununterbrochen auf der Suche nach innovativen und unterhaltsamen Inhalten, wobei sich das Internet-Meme hier als inhärenter Bestandteil und manches sogar als Viralschlager etablieren konnte. Viele Plattformen warten sogar mit eigenen Meme-Generatoren auf, die technische Hürden bei der Übernahme und Verbreitung von Meme-Adaptionen reduzieren. Bezogen auf die Diffusionsforschung entspricht dies dem Kriterium der Erprobbarkeit, welche die Anwendbarkeit vor Augen führt und auf diese Weise den Übernahmeentscheidungsprozess begünstigt (Rogers 2003: 17; Spitzberg 2014: 319).
Im Falle des Merkel-Memes stellte die Plattform buzzfeed.de innerhalb kürzester Zeit einen entsprechenden Meme-Generator bereit, der auf Twitter unter dem Hashtag #MerkelMeme beworben wurde. Einerseits bedeutet ein solches Angebot für die Plattform die Steigerung der Nutzerinteraktion, andererseits ergibt sich für die Nutzenden die einfache Möglichkeit zur Partizipation, in diesem Fall zur Teilnahme am politischen Diskurs rund um den G7-Gipfel. Internet-Memes besitzen folglich ein hohes Mobilisierungspotenzial, da sie den Kerngedanken des Web 2.0 als sog. Mitmachweb paradehaft verkörpern. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ganze Netzkulturen rund um dieses moderne Internet-Phänomen gebildet haben (Pauliks 2017).
Weiterhin wurden in der vorliegenden Studie die einzelnen an der Diffusion des Merkel-Memes beteiligten Nutzenden näher betrachtet. Sie nehmen bei der Verbreitung von Internet-Memes eine zentrale Rolle ein, da sie im Fall von Twitter ein soziales System untereinander vernetzter individueller Einheiten bilden. Hier konnte gezeigt werden, dass eine dichte Vernetzung ein wichtiger Prädikator für die Verbreitung der Meme-Adaptionen ist. Befunde aus der Viralitätsforschung zeigen, dass bekannte Sender und extrovertierte Multiplikatoren die Weiterleitung begünstigen (Chiu et al. 2007; Ho/Dempsey 2010; Huang et al. 2009). Zudem gelten Bindungsstärke und Affinität zum Sender einer Botschaft sowie die Persönlichkeitsstärke der Nutzenden als wichtige Einflussgrößen in Bezug auf das Weiterleitungsverhalten (De Bruyn/Lilien 2008; Hack/Schumann 2011). Für die Internet-Memetik scheinen möglicherweise ähnliche Wirkungsmechanismen zuzutreffen.
Was nicht uneingeschränkt geklärt werden konnte, ist der Einfluss der Transparenz der Nutzerprofile auf die Diffusion von Internet-Memes. Während die Angabe des Klarnamens keinen direkten Effekt hatte, war die Erkennbarkeit des Geschlechts ein relevanter Faktor. Daher gilt es weiterhin zu explorieren, welche Faktoren nutzerseitig auf die Verbreitung von Internet-Memes wirken. Experimentelle Studien könnten hier wichtige Einblicke liefern.
Die Erkenntnis, dass bei der Verbreitung des Merkel-Memes neben Privatnutzern vor allem Nutzer_innen sowie Organisationen aus dem journalistischen Bereich beteiligt waren, führt zu der Frage, inwieweit memetische Effekte gezielt ausgelöst und als Interaktions- und Partizipationsstrategie institutionalisiert werden können. Überdies verdeutlichen die Ergebnisse, dass die Diffusion des Merkel-Memes auf Twitter maßgeblich von der Beteiligung früher Übernehmergruppen abhing, die sich durch eine dichte Vernetzung auszeichneten. Diese wiederum unterschieden sich im Einsatz der memetischen Funktionen: Während frühe Übernehmergruppen vor allem eigene Meme-Variationen tweeteten, dienten diese als Kopiervorlagen für die späteren Übernehmer, die sich vor allem auf das Retweeten konzentrierten.
Lässt sich das Prinzip der Microblogging-Memetik (Moskopp/Heller 2013: 129ff.) folglich strategisch nutzen, um gezielt einzelne Nutzende oder bestimmte Zielgruppen zu mobilisieren? Dafür spricht in jedem Fall die hohe „Shareability“ von Internet-Memes, die eine innovative und alternative Variante der Aufbereitung, Kommentierung und Visualisierung von (in diesem Fall politischen) Inhalten im Internet darstellen. Im Fall des Merkel-Memes ließen sich unter anderem durch inhaltsanalytische und netzwerkanalytische Betrachtungen Erkenntnisse über das politische Meinungsklima auf Twitter sowie relevante Influencer gewinnen. So könnten letztendlich politische Kampagnen zielgruppengerecht optimiert werden. Dem gegenüber steht die Gefahr, dass unerwünschte memetische oder virale Effekte eintreten könnten. Ein Beispiel hierfür ist die Verbreitung von Fake News. Abb. 5 zeigt, wie sich ein falsches Zitat des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump im Wahlkampf zur US-Wahl 2016 in Form eines BSIM verbreitete. Auch gehören Shitstorms oder Empörungswellen zum Repertoire dieser negativen Effekte. Die Unkontrollierbarkeit solcher Phänomene birgt Gefahren für die Glaubwürdigkeit und Reputation der entsprechenden Kommunikatoren, welche bei einem strategischen Einsatz in jedem Fall bedacht werden sollten.
Die konkreten Eigenschaften von Internet-Memes waren bislang weitestgehend unerforscht. In Anlehnung an die Diffusionsforschung sollte der Faktor Komplexität in dieser Studie explorativ untersucht werden. Die Daten der Inhaltsanalyse zeigten jedoch keinen Zusammenhang zwischen der sprachlichen Komplexität und der Sichtbarkeit der Meme-Adaptionen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Länge der sprachlichen Komponente kein hinreichendes Erfolgskriterium ist. Für die noch junge Forschung zu Internet-Memes ergeben sich daraus vier Implikationen.
Erstens ist Komplexität ein Konstrukt, das nicht alleine durch die reine Länge bzw. Anzahl von sprachlichen Einheiten gemessen werden kann. Insofern muss dies gleichzeitig als ein limitierender Faktor dieser Analyse angesehen werden. Es gilt elaboriertere Wege zu finden, sprachliche Komplexität und deren Einfluss auf die Verbreitung von Internet-Memes zu untersuchen. Hier sollten sowohl die syntaktische als auch die morphologische Ebene näher betrachtet werden, um einen valideren Eindruck von der tatsächlichen sprachlichen Komplexität zu erhalten.
Daran anknüpfend muss zweitens dem Prozess der sprachlichen Bedeutungskonstruktion noch größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. In der Diffusionsforschung wird dabei der Faktor Kompatibilität betont (Rogers 2003: 15; Spitzberg 2014: 318). Kompatibilität meint den Zusammenhang eines Konzeptes (wie etwa Internet-Memes) mit existierenden Werten, Einstellungen oder Bedürfnissen der Zielgruppe (Fliegel/Kivlin 1966: 246). Demnach sollte überprüft werden, inwieweit auf sprachlicher Ebene Humor, Emotionen und intertextuelle Bezüge hergestellt werden. In der Meme- und Viralitätsforschung wird immer wieder auf diese inhaltlichen Kriterien verwiesen, wenn es um die Merkmale für eine erfolgreiche Verbreitung derartiger Phänomene geht (Berger 2014; Berger/Milkman 2012; Brown et al. 2010; Hack/ Schumann 2011; Kim 2015; Porter/Golan 2006; Segev et al. 2015, Shifman 2014). Insofern gilt es weiter zu untersuchen, welche zielgruppenspezifischen Merkmale ein erfolgreiches Internet-Meme ausmachen.
Drittens muss auch das Bild als wichtiger Bestandteil von Internet-Memes mehr Beachtung finden. Zwar basiert der hier untersuchte prototypische Memetypus vor allem auf der Variation der sprachlichen Komponente, immer wieder sind jedoch auch visuelle Abweichungen zu finden. Diese reichen von einfachen technischen Anpassungen über inhaltliche Veränderungen bis hin zu komplexen Fotomontagen (Greer/Gosen 2002; Forster 2003). Der Grad der Bildkomplexität ist also eine Forschungslücke, welche es mit Blick auf die erfolgreiche Verbreitung von Internet-Memes zu schließen gilt.
Daraus ergibt sich viertens die Forderung nach der genaueren Untersuchung des Zusammenhangs zwischen bildlicher und sprachlicher Komponente. Es liegt die Annahme zugrunde, dass die Bedeutungskonstruktion multimodal erfolgt, also die sprachliche Ebene auf die bildliche rekurriert oder umgekehrt. Inwiefern dabei Komptabilität (Rogers 2003: 15; Spitzberg 2014: 318) oder Inkongruenz (Shifman 2014: 79f.) hergestellt werden und welchen Einfluss diese Faktoren auf die Adaption und Replikation der jeweiligen Memes haben, gilt es auch mit Blick auf die Wirkung bei den Rezipient_innen tiefgreifender zu erforschen.
7 Fazit und Ausblick
Der vorliegende Beitrag trägt zur empirischen Erforschung der Diffusionsfaktoren von Internet-Memes in den sozialen Medien bei. Im Fall des Merkel-Memes konnten gut vernetze Journalisten und Medienorganisationen als wichtige Nutzerrollen in der Frühphase des Diffusionsprozesses identifiziert werden. Durch die Kreation und Verbreitung zahlreicher Adaptionen, die auf Basis des Bildes von Angela Merkel und Barack Obama entstanden sind, breitete sich das BSIM auf Twitter aus. Demnach konnte diese Studie die in der Theorie vermutete Verbundenheit der Konzepte der Memetik und der Viralität (Shifman 2014: 95) empirisch belegen. Aus der Viralitätsforschung ist dabei unter anderem bekannt, dass Altruismus und Selbstdarstellung zentrale Motive der Weiterleitung sind (u. a. Huang et al. 2009; Ho/Dempsey 2010). Ob dieser Zusammenhang ebenfalls auf Adaptions- und Replikationsvorgänge im Rahmen der Internet-Memetik zutrifft, gilt es durch die künftige Meme-Forschung zu überprüfen, beispielsweise im Rahmen von Nutzerbefragungen. Zudem gilt es, konkrete Überschneidungsbereiche wie zum Beispiel Komplexität, Humor, Identitätskonstruktion und Nutzerpartizipation weiter zu erforschen.
Die Befunde eröffnen großes Potenzial hinsichtlich strategischer Einsatzmöglichkeiten von Internet-Memes. Politische Internet-Memes (Ross & Rivers 2017; Shifman 2014: 119) wie das Merkel-Meme bieten die Chance, relevante Zielgruppen zu mobilisieren und zur politischen Partizipation zu animieren. Gleichzeitig können die Inhalte der Informationsgewinnung dienen, indem sie beispielsweise Rückschlüsse auf die öffentliche Meinung zu bestimmten Themen zulassen. Gleichwohl gilt es negative Effekte einer unkontrollierbaren Diffusion zu beachten, wie beispielsweise die Verbreitung von Fake News.
In Bezug auf das Verständnis von Internet-Memes als Bild-Sprache-Texte plädieren wir für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft, Sprachwissenschaft, Soziologie, Marketing und weiteren Disziplinen, wenn es um die Bedingungen für die Verbreitung von Internet-Memes geht. Gleichzeitig muss dieses enge Begriffsverständnis als ein limitierender Faktor dieser Untersuchung angeführt werden. Zwar manifestieren sich Internet-Memes überwiegend als Bild-Sprache-Texte, jedoch schließt dieser Fokus andere Provenienzen sich memetisch im Internet verbreitender Phänomene aus. Als Beispiel wäre hier die ALS Ice Bucket Challenge zu nennen, die sich über Facebook verbreitete und dabei auf Imitation und Weitergabe der Idee durch die Nutzenden beruhte. Insofern gilt es zu überprüfen, inwieweit die Befunde auch unabhängig der jeweils genutzten Modalität zutreffen.
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Datenverfügbarkeit
Alle relevanten Daten befinden sich innerhalb der Veröffentlichung.
Interessenskonfliktstatement
Die Autor:innen erklären, dass ihre Forschung ohne kommerzielle oder finanzielle Beziehungen durchgeführt wurde, die als potentielle Interessenskonflikte ausgelegt werden können.
Auf Twitter werden in der sog. Timeline nutzergenerierte Kurznachrichten (Tweets) aggregiert. Über Hashtags lassen sich diese Nachrichten verschlagworten und auffindbar machen. Jeder Tweet kann von den Nutzer_innen favorisiert und retweetet werden. Favorisierungen sind mit „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook vergleichbar. Retweets stellen eine direkte Kopie des ursprünglichen Tweets her und entsprechen im Wesentlichen der „Teilen”-Funktion bei Facebook. Beide Interaktionsformen tragen wesentlich zur Positionierung des Tweets in der Timeline bei. Listen stellen einzelne benutzerdefinierte Nutzergruppen dar.↩︎
Dawkins (1976; 1994: 309) hat den Begriff Mem in Anlehnung an eine mögliche altgriechische Ableitung μίμημα ‘that which is imitated’ erfunden, orientiert sich aber inhaltlich mit seiner Wortneuschöpfung an der ein Jahr zuvor publizierten Idee der Kulturkörperchen von Cloak (1975: 168). „Ich hoffe, meine klassisch gebildeten Freunde werden mir verzeihen, wenn ich Mimem zu Mem verkürze“ (Dawkins 1976; 1994: 309). Der Begriff Meme taucht in diesem Zusammenhang schon bei dem österreichischen Soziologen Ewald Hering und dem deutschen Biologen Richard Semon auf (Shifman 2014: 10).↩︎
Velten (2012: 249) würde den Begriff Internet-Meme als „travelling concept“ bezeichnen.↩︎
Die Daten wurden retrospektiv über das Tool Followthehashtag (http://followthehashtag.com) erhoben, das einen Vollzugriff auf historische Twitter-Daten erlaubt. Der Zeitraum wurde so gewählt, dass ausschließlich im Zuge des G7-Gipfels entstandene Tweets bzw. Meme-Adaptionen in der Datenbasis enthalten waren.↩︎
Wenn sich beispielsweise bei Nicht-Nennung des Klarnamens oder mangelnden Profilinformationen kein tatsächliches Geschlecht erkennen ließ, wurde dies entsprechend codiert.↩︎
Als Expert_innen wurden solche Nutzende klassifiziert, auf deren Twitter-Profil ein klarer thematischer Fokus erkennbar war, ohne dass sie dabei einer übergeordneten Institution zuordenbar waren.↩︎
Auf der Nutzerebene war der Zeitpunkt des Tweets ausschlaggebend für die Zuordnung. Daher können Nutzer_innen, die mehrfach getweetet haben, durchaus in mehreren Übernehmergruppen zu finden sein. Wir sind der Auffassung, dass Diffusion weniger von sog. Unique-Usern abhängig ist als vielmehr von einzelnen Übernahmezeitpunkten.↩︎
10 von Crossref erfasste Zitate
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Türkçe ve Almanca İnternet Memlerinin Söz Edimleri Kuramı Bağlamında Analizi
Özlem GENCER ÇITAK (2023)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.37583/diyalog.1404198
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Strategische Politische Kommunikation im digitalen Wandel
Natalie Rauscher (2018)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.1007/978-3-658-20860-8_9
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Handbuch Sozialwissenschaftliche Gedächtnisforschung
Georg Fischer et al. (2023)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.1007/978-3-658-26556-4_118
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A cultura dos memes: aspectos sociológicos e dimensões políticas de um fenômeno do mundo digital
Vicktor Chagas (2020)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.7476/9786556301785.0002
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Remotivierung in der Sprache
Ulrike Krieg-Holz (2023)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.1007/978-3-662-65799-7_11
-
Mit Humor ist nicht immer zu spaßen
Anna Dargiewicz (2022)
Diyalog Interkulturelle Zeitschrift Für Germanistik
DOI: 10.14220/9783737014304.169
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»For the lulz, mein Fuehrer«
Bekir Ismail Dogru (2021)
Freie Assoziation
DOI: 10.30820/1434-7849-2020-1-2-15
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Handbuch Sozialwissenschaftliche Gedächtnisforschung
Georg Fischer et al. (2021)
Freie Assoziation
DOI: 10.1007/978-3-658-26593-9_118-1
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Internet-Memes als Zugang zu multimodalen Konstruktionen
Lars Bülow et al. (2018)
Zeitschrift für Angewandte Linguistik
DOI: 10.1515/zfal-2018-0015
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Digitale Pragmatik
Elke Diedrichsen (2023)
Zeitschrift für Angewandte Linguistik
DOI: 10.1007/978-3-662-65373-9_8
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