Spezialbibliotheken und One-Person Libraries

Einblicke in die Besonderheiten und Herausforderungen

  • Jürgen Plieninger
    Bibliothekar (Rentner)

DOI:

https://doi.org/10.15460/apimagazin.2025.6.2.258

Schlagworte:

Spezialbibliothek, One-Person Library, One-Person Librarian, Bestandspolitik, Verbandspolitik

Begutachtung

  • Prof. Christine Gläser HAW Hamburg

Abstract

Spezialbibliotheken und One-Person Librarianship liegen im Grunde quer zu den gewohnten Kategorien der Bibliothekstypologie, nämlich Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken. Spezialbibliotheken zeichnen sich durch eine spezifische Nutzerschaft aus, die deshalb auch eine besondere Bestandspolitik erfordern. Durch die Spezialisierung entstehen in der Verbandsarbeit auch besondere Arbeitsgruppen und kleinere Verbände: Behördenbibliotheken, Medizinische Bibliotheken, Musikbibliotheken und andere. Ein etwas größerer Verband ist die Arbeitsgemeinschaft für Spezialbibliotheken. Viele Spezialbibliotheken sind auch von einer Fachkraft geführt, also One-Person Libraries. Sie sind vor allem bedeutsam für die Beschäftigten, die als Generalisten alle Facetten des Bibliothekswesens beherrschen müssen. Für die OPLs oder Solo Librarians gibt es in Deutschland beim Berufsverband Information Bibliothek eine Fachkommission, die für Vernetzung und Beratung sorgt.

1 Einleitende Fragen

Spezialbibliotheken: Ist das ein Bibliothekstyp? Wie soll man ihn einordnen? – Und vielleicht noch etwas weiter gefragt: One-Person Libraries: Ist das ein Bibliothekstyp? Wie soll man sie einordnen? Um es einfach zu machen: die jeweils erste Frage ist mit „nein” zu beantworten. Folglich ist jeweils die zweite Frage relevant. Machen wir uns daran, diese Phänomene einzuordnen!

2 Spezialbibliotheken in der Bibliothekstypologie

In der Bibliothekstypologie werden vor allem zwei große Blöcke als Bibliothekstypen vorgeschlagen: Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken. Spezialbibliotheken werden meist den wissenschaftlichen Bibliotheken zugerechnet. Das stimmt auch oft – doch gibt es auch Spezialbibliotheken, die Öffentliche Bibliotheken sind. Beispielsweise die „Phantastische Bibliothek” in Wetzlar1 gehört dazu. Aber wie gesagt, meist sind Spezialbibliotheken wissenschaftliche Bibliotheken. Wie unterscheiden sie sich? Bei wissenschaftlichen Bibliotheken denkt man an jene, welche Universitäten und Hochschulen versorgen. Ihr Bestand umfasst alle oder wenigstens eine Vielzahl von Wissenschaften. Spezialbibliotheken hingegen sind auf einen bestimmten Träger bezogen, dessen Aufgabenstellung sehr viel enger definiert ist, beispielsweise Museen, Archive, Institute, Anstalten, Krankenhäuser, Behörden, etc. (Rösch et al. 2019, S. 106-107). Die Benutzer*innen einer Spezialbibliothek sind also viel enger definiert als in einer allgemeinen wissenschaftlichen Bibliothek, welche Lehre und Forschung dient; die Spezialbibliothek dient oft nur der Forschung und hier auch einer klar definierten, hoch spezialisierten Nutzerschaft. Entsprechend ist das Bestandsmanagement speziell und der Bestand ist eng orientiert an den aktuellen Bedürfnissen der Forschung. Wenn man durch die Magazine einer Spezialbibliothek geht, kann man oft anhand des Bestandes die Geschichte der Projekte der Institution ablesen. Ungleich einer wissenschaftlichen Bibliothek, die versucht, im Bestandsprofil ein ausgeglichenes Bild herzustellen, sind im Bestand einer Spezialbibliothek die Themen klar abgegrenzt, auf Projekte bezogen, lediglich über die Projektlaufzeit vorhanden. Davor und danach wurde und wird das Thema nicht bedient.

Auch bei den Spezialbibliotheken gibt es Fälle, über deren Zugehörigkeit zu „Spezialbibliotheken” diskutiert wird. Sind beispielsweise Teilbibliotheken (Institutsbibliotheken, Fakultätsbibliotheken) von universitären Bibliothekssystemen unter „Spezialbibliotheken” einzuordnen? Im ebenfalls in dieser Ausgabe angebotenen Praxisartikel von Cornelia Lutter wird eine Institutsbibliothek beschrieben, die zwar Lehre und Forschung unterstützt, sich aber auch als Spezialbibliothek versteht. Lediglich eine Idee der Bibliothekarin? – Sicherlich nicht! Fragen wir weiter: Auch große Universitätsbibliotheken von Technischen Universitäten (z.B. das KIT in Karlsruhe, die TUHH in Hamburg oder die Universitätsbibliothek der TU Berlin) verstehen sich als Spezialbibliotheken. In gewisser Weise stimmt das, versorgen sie doch ein universitäres System, das lange nur einen Teil der Wissenschaften betreute. Es bleiben also Unschärfen in der Definition (Rösch et al. 2019, S. 106–111).

Schauen wir uns die Sache doch von einer anderen Seite an: Wenn im Bibliothekswesen besondere Bedarfe entstehen, ganz gleich, ob sich das auf den Bestand, den Umgang mit Benutzern, die Öffentlichkeitsarbeit oder anderes bezieht, dann entstehen Arbeitsgruppen oder Vereinigungen, die versuchen, dem gemeinsam Abhilfe zu schaffen. Wenn wir jetzt auf das Feld der Spezialbibliotheken schauen, dann gibt es sowohl eine Vereinigung, die das gesamte Feld abdeckt, die "Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken" (ASpB), die eine lange Geschichte hat und alle zwei Jahre eine Tagung abhält (ASpB o.D.). Die Tagungsberichte und -folien sind in einem Archiv2 zugänglich. Eine Fundgrube für spezialbibliothekarische Themen! Es gibt aber auch jede Menge kleinerer Vereinigungen, die die Bedürfnisse kleiner und kleinster Felder versuchen aufzuarbeiten. Die OPL+S-Kommission des BIB hat eine Sammlung erstellt3. welche vermutlich noch nicht einmal vollständig ist! Jedenfalls kann man unschwer anhand dieser Liste entnehmen, welche Gebiete behandelt werden und wichtig sind (BIB, o.D.a) Viele dieser Arbeitsgemeinschaften organisieren eigene, manchmal mehrtägige Tagungen! Andere wieder treffen sich auf der BiblioCon und bieten dort eigene Veranstaltungsformate an.

3 One-Person Libraries / One-Person Librarians

Spezialbibliotheken sind eher klein. Deshalb arbeiten in vielen auch One-Person Librarians. Das heißt, dass oft nur eine Fachkraft in der Bibliothek tätig ist, die folglich auch alle Felder bibliothekarischer Tätigkeit ausübt. Das sind die Generalisten der Profession im Unterschied zu den vielen Spezialisten in den ausdifferenzierten Bibliothekssystemen (Rösch et al. 2019, S. 107). Dies fordert natürlich besondere Fähigkeiten heraus: Alle Felder angemessen abzudecken und richtig auszutarieren, auch die Vertretung der Bibliothek gegenüber dem Träger und den Nutzer*innen, Selbstmanagement, Stressmanagement und auch die Notwendigkeit, einmal „Nein” zu sagen. Oft sind OPLs auch das Rückgrat von kleinen Organisationen, in denen sie durchaus mehr organisieren als nur die Bibliothek. Das betrifft manchmal nur Kleinigkeiten, es kann aber auch um wichtige Themen gehen, beispielsweise Wissensmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation. Auch hier kann man sagen: Es ist nicht sinnvoll, die „One-Person Library” als Bibliothekstyp anzusehen, nein, der Begriff bezeichnet lediglich eine Herausforderung an die dort beschäftigten Kolleg*innen, da sie anders und oft mehr gefordert werden als jene, die in ausdifferenzierten Organisationen einer spezialisierten Tätigkeit nachgehen (Kuth 2015).

Die One-Person Librarians haben keine eigene Arbeitsgemeinschaft, sondern eine Kommission (BIB o.D.b). Der BIB als Personalverband übernahm schon vom Vorgänger „Vereinigung der Diplom-Bibliothekare” (VdDB) eine Kommission4, die sich um diese Klientel kümmern soll. Die Kommission betreut eine Workingpaper-Reihe „Checklisten” 5, pflegt einen OPL-Adressenpool6 zur Vernetzung, organisiert Veranstaltungen auf der BiblioCon und darüber hinaus kümmert sie sich um die Infrastruktur, beispielsweise für lokale OPL-Gesprächskreise oder auch über eine eigene Mailingliste. Die Kommission hat in den letzten 25 Jahren viele Themen, die danach allgemein im Bibliothekswesen rezipiert wurden, mit als erstes behandelt. Unlängst wurde die Kommission umbenannt in „Kommission für One-Person Librarians und Schulbibliothekar*innen”, um einen neuen Schwerpunkt der Kommissionsarbeit zu unterstreichen: Drei Kolleginnen in der Kommission kümmern sich um die Arbeit der Schulbibliothekar*innen. „Schulbibliothek” – klingelt da etwas bei Ihnen im Ohr? Richtig: ebenfalls eine Form der Spezialbibliothek und dem Bibliothekstyp der Öffentlichen Bibliothek zurechenbar.

Man könnte noch viel zur Tätigkeit in Spezialbibliotheken und als OPL sagen. Die Tätigkeit ist herausfordernd, befriedigt aber auch sehr. Viele Kolleg*innen äußern bei Fortbildungen den Druck, unter dem sie stehen (beispielsweise: wie garantiert man die Öffnungszeit, wenn man allein ist oder nur wenige Hilfskräfte hat?), sagen aber auch gleichzeitig, dass die Arbeit recht befriedigend ist, da vieles selbst gemanagt werden muss, aber eben auch angepasst werden kann. Die Rückmeldungen von Nutzer*innen jedenfalls sind oft eindeutig: die/der Bibliothekar*in macht den Unterschied7.

Literatur

ASPB – ARBEITSGEMEINSCHAFT DER SPEZIALBIBLIOTHEKEN, o.D. Tagungsarchiv [online]. [Zugriff am: 22.05.2025]. Verfügbar unter: https://aspb.de/tagung/tagungsarchiv/(https://aspb.de/tagung/tagungsarchiv/)

BIB – BERUFSVERBAND INFORMATION BIBLIOTHEK, o.D.a. Fundgrube Internet – Bibliothekarische Arbeitsgemeinschaften [online]. [Zugriff am: 22.05.2025]. Verfügbar unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/fundgrube-internet/bibliothekarische-arbeitsgemeinschaften(https://www.bib-info.de/berufspraxis/fundgrube-internet/bibliothekarische-arbeitsgemeinschaften)

BIB – BERUFSVERBAND INFORMATION BIBLIOTHEK, o.D.b. Kommission für One-Person Librarians [online]. [Zugriff am: 22.05.2025]. Verfügbar unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/kopl-one-person-librarians(https://www.bib-info.de/berufspraxis/kopl-one-person-librarians)

KUTH, Martina, 2015. Praktisches Management in One Person Libraries. Berlin, Boston: De Gruyter Saur. Praxiswissen. ISBN 978-3-11-033872-0

RÖSCH, Hermann, SEEFELDT, Jürgen, UMLAUF, Konrad, 2019. Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: Eine Einführung. 3., neu konzipierte und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Harrassowitz. ISBN 978-3-447-06620-4


  1. Diese Bibliothek sammelt Primär- und Sekundärliteratur phantastischer Literaturgenres wie Science Fiction, Fantasy, Horror, Utopie, Reise- und Abenteuerliteratur und vieles mehr. Weitere Informationen unter: https://www.phantastik.eu/ (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  2. Siehe unter: https://aspb.de/tagung/tagungsarchiv/(https://aspb.de/tagung/tagungsarchiv/) (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  3. Siehe unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/fundgrube-internet/bibliothekarische-arbeitsgemeinschaften (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  4. Siehe unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/kopl-one-person-librarians (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  5. Siehe unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/opl-checklisten (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  6. Siehe unter: https://www.bib-info.de/berufspraxis/opl-adressenpool (Zugriff am 17.06.2025).↩︎

  7. Dieser Artikel wird ergänzt durch einen Text von Cornelia Lutter, welche die von ihr geleitete Bibliothek beschreibt in einem eigenen API-Beitrag, so dass verschiedene hier erwähnte Aspekte deutlicher werden.↩︎

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2025-06-01

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2025-06-17

Veröffentlicht

2025-07-15