Veränderungen im Informationsverhalten in der Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Sichtweisen junger Menschen

  • Stefanie Schöberl ORCID logo Hochschule für Angewandte Wissenschaften Neu-Ulm
  • Peer Kieweg ORCID logo Hochschule für Angewandte Wissenschaften Neu-Ulm

DOI:

https://doi.org/10.15460/kommges.2021.22.1.837

Schlagworte:

COVID-19, Informationsverhalten, Vertrauen, Regierung, Impfung, Pandemiemüdigkeit, Deutschland

Redaktion und Begutachtung

  • Nils Zurawski ORCID logo Universität Hamburg
  • Jan-Hinrik Schmidt ORCID logo Leibniz-Institut für Medienforschung - Hans-Bredow-Institut

Abstract

Die COVID-19-Pandemie hat das Leben von Menschen auf der ganzen Welt von Grund auf verändert. Gleichzeitig trägt das Verhalten der Menschen zur Überwindung der Pandemie bei, sei es in Form der Einhaltung der Pandemieregelungen, sei es durch die Bereitschaft, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Gegen Ende des Jahres 2021 zeigt sich in Ländern wie Deutschland, die über ausreichend Impfstoff verfügen, zwar eine relativ hohe Impfquote. Diese ist allerdings nicht hoch genug, um die Pandemie zu überwinden, und sie erhöht sich nur noch sehr schleppend. Da Studien bereits gezeigt haben, dass zwischen Informationsverhalten und Impfbereitschaft ein Zusammenhang besteht, untersucht diese Arbeit anhand einer Längsschnittsstudie Veränderungen des Informationsverhaltens junger Menschen unter 35 Jahren im Verlauf der Pandemie im Jahr 2020. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Konsequenzen des Informationsverhaltens für die Zuversicht und die Impfbereitschaft in dieser Zielgruppe gelegt. Dabei zeigt sich durchaus eine Pandemiemüdigkeit unter den Befragten, die sich darin äußert, dass die Befragten am Ende des Jahres 2020 weniger Zeit damit verbringen, sich über das Virus oder die Pandemie zu informieren als noch 7 Monate zuvor. Die Daten offenbaren auch Zusammenhänge zwischen dem Informationsverhalten, dem Grad der Informiertheit und der Zuversicht, dass die Pandemie überwunden wird. Schließlich sind Personen, die sich besser informiert fühlen, eher bereit, eine Impfung zu akzeptieren, womit eine faktenbasierte, glaubhafte Information der Bevölkerung offenbar ein entscheidender Faktor der Pandemiebekämpfung ist.

1 Einführung

Im Dezember 2019 infizierten sich die ersten Menschen in Wuhan, China, mit einem neuen Virus, das später als Sars-CoV-2 bezeichnet werden sollte. Von da an breitete sich das Virus aus. Langsam, aber unaufhaltbar, erreichte es Ende Februar bzw. Anfang März 2020 Europa und andere Länder weltweit. Im August 2021 hat sich das Coronavirus in fast allen Ländern der Erde ausgebreitet, beinahe 200.000.000 Menschen infiziert und mehr als 4.000.000 Tote hinterlassen (Dong, Du & Gardner, 2020). Die Corona-Pandemie hat das tägliche Leben von Menschen auf der ganzen Welt verändert. Dabei zeigten sich besonders starke Auswirkungen auf die Bereiche psychische und mentale Gesundheit (Bäuerle et al., 2020; Khan et al., 2020; Petzold, Plag & Ströhle, 2020; Thome, Coogan, Fischer, Tucha & Faltraco, 2020), Bildung (Kerres, 2020; Onyema et al., 2020) sowie Wirtschaft (Laing, 2020).

Auch das Informationsverhalten in der Corona-Pandemie wurde bereits mehrfach wissenschaftlich untersucht, insbesondere das Phänomen der sogenannten „Infodemic“. Damit ist gemeint, dass es die unüberschaubare Vielzahl an verfügbaren Informationen während der Pandemie, wahre wie falsche, den Menschen schwerer macht als je zuvor, falsche oder zumindest irreführende Nachrichten als solche zu identifizieren. Folgerichtig waren und sind viele Menschen unsicher, welche Quellen vertrauenswürdig und welche Informationen glaubhaft sind (Bunker, 2020; Ebrahim et al., 2020; Larson, 2020; Medford, Saleh, Sumarsono, Perl & Lehmann, 2020; Orso, Federici, Copetti, Vetrugno & Bove, 2020; Stephens, 2020).

In bisherigen Forschungsarbeiten nicht im Focus standen jedoch die Veränderungen des Informationsverhaltens im Laufe der Pandemie. Diese Arbeit hat sich nun zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen. Es soll untersucht werden, wie sich das Informationsverhalten junger Menschen in Deutschland in Bezug auf COVID-19 im Laufe des Jahres 2020 veränderte und welche Auswirkungen diese Veränderungen letztlich auch auf das weitere Pandemiegeschehen hatten und potenziell auch weiter haben werden. Gemäß der Aufforderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, welche im Jahr 2020 konstatierte, dass „es seit dem Zweiten Weltkrieg keine Herausforderung an unser Land mehr [gab], bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt.“1, ist deutlich geworden, dass die Pandemie nur durch das Mitwirken aller Bevölkerungsgruppen, inkl. der weniger vulnerablen jungen Bevölkerung, überwunden werden kann. Die vorliegende Untersuchung bezieht sich deshalb ganz bewusst nur auf junge Menschen unter 35 Jahren, denn diese sind zwar weniger von dem Virus selbst und seinen medizinischen Auswirkungen betroffen, gleichzeitig jedoch diejenigen, die am stärksten unter den eingeführten Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie leiden und daher der Pandemie eher überdrüssig sind (Lilleholt, Zettler, Betsch & Böhm, 2020; Manivannan, Jogalekar, Kavitha, Maran & Gangadaran, 2021), was sich negativ auf die Bekämpfung der Pandemie auswirken könnte.

Der vorliegenden Forschungsarbeit liegt eine Längsschnittstudie zugrunde, die aus zwei Wellen einer quantitativen Online-Befragung im Mai und Dezember 2020 unter jungen Menschen in Deutschland besteht und folgende Forschungsfragen beantworten soll: Wie hat sich das Informationsverhalten junger Menschen unter 35 Jahren im Verlauf der COVID-19-Pandemie verändert? Welche Auswirkungen haben das Informationsverhalten und seine Veränderung auf den Optimismus und die Impfbereitschaft der jungen Zielgruppe? Durch Beantwortung dieser Forschungsfragen soll die vorliegende Arbeit den aktuellen Stand der Forschung um folgende Aspekte erweitern: Die insgesamt aufgewendete Zeit um sich zu informieren und ihre Veränderung; die Vertrauenswürdigkeit ausgewählter Informationsquellen und ihre Veränderung; der Zusammenhang zwischen Informationsfrequenz und dem wahrgenommenen Grad der Informiertheit und wiederum zwischen dem Grad der Informiertheit und der Zuversicht, die Krise zu überwinden sowie der Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Gerade der Aspekt der Impfbereitschaft kristallisiert sich im derzeitigen Stadium der Pandemie (Herbst 2021) in gut versorgten Ländern wie den USA oder den EU-Ländern als zunehmend problematisch heraus, was auch in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert wird (Dror et al., 2020; Khubchandani et al., 2021; Murphy et al., 2021; Sallam, 2021). Gerade eine hohe Impfquote in der Bevölkerung ist jedoch für die Pandemiebekämpfung von erheblicher Bedeutung (García-Montero et al., 2021; Waize et al., 2021). Virologe Christian Drosten fasste dies mit den Worten: „*Es ist ganz klar, man muss sich unbedingt impfen lassen. Das ist ein Superschutz […]“2 zusammen, und auch der amerikanische Virologe Anthony Fauci bezeichnete die Impfung als das Werkzeug, mit dem die Pandemie zu überwältigen sei3.

Erkenntnisse zur Rolle des Informationsverhaltens der Menschen in der Pandemie sollten nicht zuletzt auch Gruppierungen wie Vertreter:innen der Regierung bzw. öffentlicher Institutionen, Virolog:innen und Epidemiolog:innen, aber auch Medienvertreter:innen und Kreativschaffenden der Social Media-Branche interessieren, da sie als Kommunikatoren in der Krise eine besondere Verantwortung für den Informationsstand der Bevölkerung tragen und sich der Tragweite ihrer Informationspolitik zumindest bewusst sein sollten.

2 Stand der Forschung

Seit Beginn der Pandemie im März 2020 wurden sehr viele Forschungsarbeiten zu den Auswirkungen des Coronavirus’ auf ganz unterschiedliche Themenbereiche veröffentlicht. Das Informationsverhalten bestimmter Zielgruppen wurde beispielsweise von Shehata (2020) anhand einer Stichprobe mit ägyptischen Studierenden untersucht. Dabei zeigte sich, dass die primären Informationsquellen der Befragten die offizielle Seite des Gesundheitsministeriums in Ägypten, soziale Medien sowie Familie und Freunde waren. Außerdem wussten die Befragten um das Vorhandensein von Falschinformationen und wählten vertrauenswürdige Nachrichten mit Bedacht aus. Auch Cinelli et al. (2020) stellten fest, dass Befragten durchaus bewusst war, dass gerade in den sozialen Medien viele Falschinformationen kursierten. Islam, Mahmood, Sadiq, Usman & Yousaf (2020) hingegen konzentrierten sich auf den Informationsaustausch über den Messenger-Dienst WhatsApp und fanden heraus, dass die befragten Personen WhatsApp nicht nur zur Unterhaltung nutzten, sondern auch, um sich und andere zu informieren. Der Einfluss ansteigender Infektionen im lokalen Umfeld auf das Informationsverhalten wurde beispielsweise von Bento et al. (2020) untersucht: Nach den ersten Infektionen mit COVID-19 in verschiedenen US-Bundesstaaten stieg die Informationssuche der Bewohner:innen des jeweiligen Bundesstaates in den folgenden Tagen sprunghaft an und pendelte sich danach wieder auf einem normalen Niveau ein.

Im Zusammenhang mit dem Informationsverhalten in der Coronakrise fällt häufig der Begriff der Pandemiemüdigkeit, ein Konstrukt, das eine spezielle Form der Themenmüdigkeit („topic fatigue“) darstellt. Themenmüdigkeit wurde als Konzept erstmals von Kuhlmann, Schumann und Wolling im Jahr 2014 eingeführt. Sie definierten Themenmüdigkeit als”the cognition that recipients do not longer want to hear nor see anything about a topic“ (Kuhlmann, Schumann & Wolling, 2014). Vor der Pandemie wurde dieses Thema oft im Zusammenhang mit Ereignissen untersucht, die weniger massive Auswirkungen auf den menschlichen Alltag haben, einfach weil globale Ereignisse mit derartigen Verwerfungen wie die Coronapandemie äußerst selten sind.

Viele neue wissenschaftliche Arbeiten haben diese Idee adaptiert und auf die Corona-Pandemie angewandt und zumindest in Teilen eine Pandemiemüdigkeit festgestellt (Lilleholt et al., 2020; Meichtry, Sugden & Barnett, 2020; Michie, West & Harvey, 2020; Zhao et al., 2020): Die Menschen in den betroffenen Ländern waren bzw. sind es leid, vom Coronavirus zu hören und möchten wieder in ihren normalen, gewohnten Alltag zurückkehren. Dieses Phänomen ließ sich beispielsweise auch in Deutschland und Dänemark beobachten, wo Lilleholt et al. (2020) Pandemiemüdigkeit als eine geäußerte Demotivation gegenüber gesundheitsschützendem Verhalten und der Information über die Entwicklung der Pandemie definierten. Lilleholt et al. verwendeten zur Messung des Konstrukts der Pandemiemüdigkeit mehrere Indikatoren, die Fragen zum individuellen Gefühl zu Maßnahmen gegen das Coronavirus sowie zum eigenen Informationsverhalten beinhalteten. Ein von Lilleholt et al. (2020) verwendeter zentraler Indikator, die Frage „I am sick of hearing about COVID-19.“, wird in der vorliegenden Arbeit ebenfalls zum gleichen Zweck verwendet.

Pandemiemüdigkeit tritt aber auch in Form von Quarantäne-Müdigkeit in den USA (Zhao et al., 2020) oder Pandemie-Politik-Müdigkeit weltweit (Petherick et al., 2021) auf. Zhao et al. (2020) messen die Quarantäne-Müdigkeit hingegen anhand von Bewegungsdaten („Mobility Trends“), während Petherick et al. (2021) sich sowohl auf Erhebungen durch Fragebögen, als auch auf Bewegungsdaten berufen. Allerdings kommen nicht alle Studien zu demselben Ergebnis. Atchison et al. (2020) stellten fest, dass die Einhaltung der strengen Regeln, die in Großbritannien zur Bekämpfung des Virus auferlegt wurden, über Monate hinweg auf einem hohen Niveau blieb, so dass Michie et al. (2020) zu dem Schluss kamen, dass in Großbritannien offensichtlich keine Pandemiemüdigkeit vorlag. Ähnlich argumentierten Reicher & Drury (2021), dass Pandemiemüdigkeit, zumindest in Großbritannien, offenbar kein maßgebliches Phänomen und daher die intensive Medienpräsenz dieses Themas nicht angemessen wäre. Diese widersprüchlichen Ergebnisse zeigen einen anhaltenden Forschungsbedarf zur Pandemiemüdigkeit in verschiedenen Ländern und zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

In diesem Beitrag soll die Pandemiemüdigkeit jedoch nicht als Ursache für eine geringere Bereitschaft zur Regeleinhaltung untersucht werden, sondern vielmehr als ein Faktor, der dazu führen könnte, dass die Menschen weniger Zeit mit der Informationssuche zur Pandemie verbringen. In diesem Zusammenhang werden zwei Hypothesen definiert:

H1: Die Befragten verbringen im Dezember 2020 weniger Zeit mit der Suche nach Nachrichten über das Coronavirus als im Mai 2020.

H2: Je stärker die Pandemiemüdigkeit ausgeprägt ist, desto weniger Zeit wird für die Suche nach Nachrichten über das Coronavirus aufgewendet.

Falls sich die Hypothese des geringeren Zeitaufwands für die Informationssuche zum Coronavirus als wahr herausstellt, könnte dies wiederum negative Auswirkungen auf die Überwindung der Pandemie haben: In mehreren Forschungsarbeiten wurde festgestellt, dass ein höherer Informationsstand in der Bevölkerung eine günstige Voraussetzung zur Pandemiebekämpfung ist. So deuten die Ergebnisse von Sherman et al. (2021) darauf hin, dass ein höherer Grad an Informiertheit zu einer höheren Impfbereitschaft führt. Auch Wang et al. (2021) folgern aus ihren Ergebnissen, dass eine bessere Aufklärung durch Primärversorger:innen zu einer höheren Impfquote führen kann. Kourlaba et al. (2021) formulieren, dass bessere Kenntnisse hinsichtlich Symptomen und Übertragungswegen von COVID-19 sowie möglicher Präventionsmaßnahmen zu einer signifikant höheren Impfbereitschaft der Befragten führt. Relativ einhellige Erkenntnis aus den Forschungsarbeiten ist also, dass ein hoher Kenntnisstand über gesundheitliche Folgen des Coronavirus’ und mögliche Prävention in der Bevölkerung eine zentrale Rolle in der Pandemiebekämpfung einnimmt.

Nun muss ein hoher zeitlicher Aufwand bei der Informationssuche nicht zwangsläufig auch zu einem höheren Wissensstand führen. Da sich jedoch Daten und Erkenntnisse zum Pandemiegeschehen bisher sehr schnell verändert haben und sich immer noch ändern, liegt der Schluss nahe, dass eine regelmäßige, kontinuierliche Informationssuche während der Pandemie notwendig ist, um gut informiert zu bleiben. Mit anderen Worten: Eine höhere Informationsfrequenz hinsichtlich COVID-19-Fragestellungen führt vermutlich zu einem höheren Grad an Informiertheit. Daher werden an dieser Stelle folgende weitere Hypothesen formuliert:

H3: Je häufiger Informationen zu COVID-19-Themen gesucht werden, desto höher ist der wahrgenommene Grad an Informiertheit.

H4a: Je höher der wahrgenommene Grad an Informiertheit, desto zuversichtlicher blicken die Menschen auf das weitere Pandemiegeschehen.

H4b: Je höher der Grad an Informiertheit, desto höher ist die Impfbereitschaft der Menschen.

3 Umfragenkonzeption

3.1 Studiendesign

Die Längsschnittuntersuchung fand in Form von zwei Online-Befragungswellen im Jahr 2020 statt. Zielgruppe der Befragung waren Erwachsene unter 35 Jahren, zumeist Studierende oder Hochschul-Absolvent:innen. Die erste Befragungswelle wurde vom 15. bis 24. Mai 2020 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Neu-Ulm durchgeführt, mit einem Rücklauf von 177 vollständigen Datensätzen. Die zweite Welle fand vom 8. bis 23. Dezember 2020 statt, wiederum unter Studierenden an der Hochschule Neu-Ulm mit einem Rücklauf von 67 vollständigen Datensätzen. Die relativ kleinen Stichproben liefern dennoch signifikante Ergebnisse, wie noch zu zeigen sein wird.

Die Befragungswellen wurden anhand von standardisierten Fragebögen durchgeführt, die zum einen wellenspezifische Fragen enthielten, die hier nicht Gegenstand der Analyse sind. Zum anderen enthielten beide Wellen jeweils identische Fragestellungen und Antwortkategorien, um Interpretationen von etwaigen Veränderungen zu erlauben.

Beide Studien wurden am gleichen Ort, in der gleichen Zielgruppe und mit den gleichen Fragen durchgeführt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Mit anderen Worten, es wurde ein Trendstudiendesign mit zwei sehr ähnlich strukturierten Stichproben in Bezug auf Alter und Bildung angewendet. Voraussetzung für die Teilnahme war, jünger als 35 Jahre zu sein, wobei der Altersschwerpunkt in beiden Wellen zwischen 20 bis 24 Jahren lag. Die Befragten hatten einen sehr ähnlichen Bildungshintergrund und stammten aus dem Südwesten Deutschlands, dessen Todesfälle pro Kopf in etwa dem bundesdeutschen Durchschnitt entsprachen (Dong et al., 2020).

3.2 Operationalisierung der Variablen

Zur Überprüfung der Hypothesen 1 und 2 wird die Variable "Informationsfrequenz“ verwendet. Sie ist auf der Basis der Frage "Wie und wie oft informieren Sie sich über Neuigkeiten zum Coronavirus?“ konstruiert. Es wurden mehrere Informationskanäle vorgeschlagen, die alle auf einer Ordinalskala von "mehrmals täglich“ über "einmal im Monat oder seltener“ bis hin zu "überhaupt nicht“ basieren. Die Variable "Informationsfrequenz “ wird als Median unter Berücksichtigung der folgenden Kanäle gebildet: "Nachrichten-Webseiten von seriösen Verlagen“, "Regierungs-Webseiten“, "Webseiten von Gesundheitsinstituten“ und "TV- Nachrichten/Berichte“. Andere Kanäle, wie z. B. soziale Medien, Online-Videos oder einfach nur Familie und Bekannte, wurden zwar in die Befragung einbezogen, aber in der genannten Variable nicht berücksichtigt, da diese Kanäle auch falsche, oder zumindest unsachliche Informationen oder eher unterhaltende Inhalte verbreiten können. Ihre Berücksichtigung könnte daher zu einem verzerrten Bild des Zeitaufwands für die Informationssuche führen.

Die in Hypothese 2 erwähnte "Pandemiemüdigkeit“ basiert auf zwei Aussagen, zu denen die Befragten auf einer 5-stufigen Likert-Skala angaben, wie stark sie zustimmen (von 1="stimme voll zu“ bis 5="stimme überhaupt nicht zu“). Die Aussagen lauten "Ich bin es leid, etwas über Corona zu hören“ und "Mein Informationskonsum nimmt seit Beginn der Corona-Krise immer mehr ab“. Die Variable "Pandemiemüdigkeit“ ist als arithmetisches Mittel über diese beiden Aussagen gebildet worden. Wie in Abschnitt 4.1 gezeigt wird, liegt dieser Durchschnittswert bei den meisten Befragten in beiden Wellen unter dem Skalenwert 3, der rein formal die Mitte der Skala bildet. Um diese Zustimmungstendenz in der Variablenkonstruktion auszugleichen, wurde die Grenzziehung zwischen (eher) Pandemiemüden und (eher) Nicht-Pandemiemüden bei 3 vorgenommen: Mittelwerte bis 2,5 werden als "eher hohe oder hohe Pandemiemüdigkeit“ eingestuft, 3 bis 5 als "wenig ausgeprägte bis keine Pandemiemüdigkeit“.

Die Hypothesen 3, 4a und 4b befassen sich mit dem Grad der Informiertheit. Die entsprechende Variable "Informiertheit“ wird wiederum als Mittelwert aus zwei Aussagen gebildet, ebenfalls auf Basis der oben genannten Likert-Skala: "Ich fühle mich über die Krankheit COVID-19 gut informiert“ und "Es ist schwierig, zuverlässige Informationen über das Coronavirus zu finden“. Letztere Aussage zielt auf die eingangs erwähnte „Infodemic“ ab, wobei davon ausgegangen wird, dass Personen, die sich gut informiert fühlen, leichter die für sie vertrauenswürdigen von weniger vertrauenswürdigen Quellen unterscheiden können und es dadurch weniger schwierig finden, zuverlässige Informationen zu finden. Da die zweite Aussage eine umgekehrte Polarität zur ersten aufweist, wurde sie vorher umcodiert, damit eine Mittelwertberechnung inhaltlich sinnvoll ist. Mittelwerte bis 2,5 werden zu "eher gut bis sehr gut informiert“, Werte zwischen 3 und 5 zu "nicht so gut informiert“ zugeordnet.

Die in den Hypothese 4a und 4b verwendete Zuversicht bezüglich der weiteren Pandemieentwicklung und die Impfbereitschaft werden durch je eine Aussage repräsentiert: "Ich glaube, dass wir mit dieser Krankheit in unserem Land fertig werden können“ bzw. "Ich werde mich gegen COVID-19 impfen lassen, wenn ich die Möglichkeit dazu habe“. Beide Aussagen wurden ebenfalls auf der bereits erwähnten 5-stufigen Likert-Zustimmungsskala erhoben. Hierbei wurde die zweitgenannte Aussage lediglich in der zweiten Welle erhoben, da im Mai 2020 noch keinerlei Aussicht auf einen in Kürze verfügbaren Impfstoff bestand. Insofern kann die Auswertung zu Hypothese 4b nur für die zweite Befragungswelle durchgeführt werden.

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Darstellung der verwendeten Variablen

Die Ausprägungen der für die Analyse der Hypothesen verwendeten Variablen werden zunächst deskriptiv für beide Wellen dargestellt.

Tab. 1 enthält zunächst die Zustimmungsanteile zum Konstrukt der Pandemiemüdigkeit. Wie erläutert, wurden hier aus der Bewertung zweier Aussagen die Durchschnittswerte der Skalenwerte berechnet. Der besseren Übersicht halber sind die Durchschnittswerte in Wertebereichen wiedergegeben.

Tabelle 1: Anteile der Mittelwerte auf der Zustimmungsskala zu den Aussagen, aus denen die Pandemiemüdigkeit gebildet wurde in beiden Befragungswellen. * Verwendete Aussagen: "Mein Informationskonsum nimmt immer mehr ab.“ und "Ich bin es leid, etwas über Corona zu hören.“
  Pandemiemüdigkeit: Durchschnittliche Zustimmung zu entsprechenden Aussagen*
Skala: 1 = "stimme voll zu“ bis
5 = "stimme überhaupt nicht zu“
Welle
1 2
1,0 bis 1,5 30,5% 16,4%
2,0 bis 2,5 33,9% 37,3%
3,0 bis 3,5 25,4% 34,3%
4,0 bis 5,0 10,2% 11,9%
Summe 100,0% 100,0%
n 177 67

Wie bereits erwähnt, sind Personen mit einer eher hohen oder hohen Pandemiemüdigkeit in beiden Wellen die größte Gruppe. Dabei zeigt der Wellenvergleich eine leichte Abnahme der wahrgenommenen Pandemiemüdigkeit, für die möglicherweise ein wahrgenommenes Überangebot an pandemierelevanten Informationen und öffentlichen Diskussionen zu Pandemiebeginn verantwortlich ist.

In Tab. 2 befindet sich die analoge Gegenüberstellung der beiden Befragungswellen für die Variable Informiertheit.

Anhand der Verschiebung der Anteile wird deutlich, dass sich der Anteil der Personen, die sich gut informiert fühlen, im Laufe der Pandemie erhöht hat zu Lasten der nach eigener Einschätzung schlecht informierten Personen.

Tabelle 2: Anteile der Mittelwerte auf der Zustimmungsskala zu den Aussagen, aus denen die Informiertheit gebildet wurde in beiden Befragungswellen * Verwendete Aussagen: "Ich fühle mich über die Krankheit COVID-19 gut informiert.“ und "Es ist schwierig, zuverlässige Informationen über das Coronavirus zu finden.“
  Informiertheit: Durchschnittliche Zustimmung zu entsprechenden Aussagen*
Skala: 1 = "stimme voll zu“ bis
5 = "stimme überhaupt nicht zu“
Welle
1 2
1,0 bis 1,5 11,9% 11,9%
2,0 bis 2,5 32,8% 43,3%
3,0 bis 3,5 32,2% 35,8%
4,0 bis 5,0 23,2% 9,0%
Summe 100,0% 100,0%
n 177 67

Tab. 3 enthält die Anteile der Zustimmungswerte für die Variablen Zuversicht und Impfbereitschaft. Wie bereits in Abschnitt 3.2 erwähnt, kann die Darstellung der Impfbereitschaft nur auf der Datenbasis der zweiten Befragungswelle erfolgen, da die entsprechende Aussage nur in dieser abgefragt wurde.

Tabelle 3: Zustimmungsanteile zu den Aussagen zu Zuversicht und Impfbereitschaft
  Zuversicht: Zustimmung zu "Ich glaube, dass wir mit dieser Krankheit in unserem Land fertig werden können.“ Impfbereitschaft: Zustimmung zu "Ich werde mich impfen lassen, wenn ich die Möglichkeit dazu habe.“
  Welle Welle
1 2 2
Ich stimme total zu 29,9% 35,8% 33,3%
Ich stimme eher zu 50,8% 43,3% 33,9%
unentschieden 16,9% 17,9% 14,7%
Ich stimme eher nicht zu 1,1% 1,5% 12,4%
Ich stimme überhaupt nicht zu 1,1% 1,5% 5,6%
Summe 100,0% 100,0% 100,0%
n 177 67 67

Offensichtlich ist eine große Mehrheit der Befragten der Ansicht, dass die Pandemie überwunden werden kann, wobei sich hier im Wellenvergleich keine wesentlichen Veränderungen zeigen. Ebenfalls sind die meisten Befragten im Dezember gewillt, sich impfen zu lassen, sobald die Möglichkeit dazu besteht.

Da Informationsverhalten und Informiertheit eine Schlüsselrolle in der vorliegenden Arbeit innehaben, soll an dieser Stelle auch auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit unterschiedlicher Informationsquellen eingegangen werden, auf die im Abschnitt 5 Bezug genommen wird.

Von den abgefragten Informationsquellen genießen die Nachrichten-Websites seriöser Verlage und Gesundheitsorganisationen im Dezember das höchste Vertrauen. Zudem wurden beide Quellen im Dezember als noch vertrauenswürdiger wahrgenommen als im Mai, insbesondere die Nachrichten-Websites seriöser Verlage. Regierungsquellen werden in beiden Befragungswellen etwas zurückhaltender als eher vertrauenswürdig eingestuft. Bemerkenswert ist der Rückgang des Vertrauens in prominente Virolog:innen von 2,14 im Mai auf 2,45 im Dezember. Mit hoher Skepsis wird dagegen die Vertrauenswürdigkeit von Influencer:innen und Blogger:innen beurteilt.

Tabelle 4: Mittelwerte auf der Zustimmungsskala von 1 = "stimme voll zu“ bis 5 = "stimme überhaupt nicht zu“ der Frage „Wie vertrauenswürdig sind die folgenden Informationsquellen für Sie?“
Welle
1 2
Nachrichten-Websites von seriösen Verlagen 2,08 1,64
Websites/Posts/Tweets aus Regierungsquellen 1,99 1,93
Websites/Posts/Tweets von Gesundheitsorganisationen (z.B. WHO, RKI) 1,73 1,61
Websites/Posts/Tweets/Podcasts von prominenten Virolog:innen / medizinischem Fachpersonal 2,14 2,45
Posts / Tweets von Influencern / Bloggern 4,14 4,18

4.2 Hypothese 1: Veränderung im Informationsverhalten

Eine erste Auswertung des retrospektiv eingeschätzten Informationsverhalten im Laufe des Jahres 2020 im Vergleich zu den entsprechenden monatlichen Infektionszahlen birgt interessante Erkenntnisse: In der Dezember-Welle wurden die Befragten gebeten, auf einer 4-stufigen-Likert-Skala anzugeben, wie viel Zeit sie in jedem Monat des Jahres 2020 mit der Informationssuche zu COVID-19-Themen verbracht haben, wobei die Antwortmöglichkeiten einer subjektiven Einschätzung von 1="informiere mich viel“ bis 4="informiere mich überhaupt nicht“ entsprechen sollten. Die blaue Linie in Abb. 1 zeigt den Anteil der Befragten, die angaben, sich viel oder eher viel zu informieren. Sie erreichte im März ihren Höhepunkt, danach ging sie bis August zurück. Zwischen August und September begann die Zahl der Neuinfektionen wieder zu steigen - was den Beginn der sogenannten zweiten Infektionswelle kennzeichnet - und damit auch die Zahl der Befragten, die sich viel informiert haben. Dieser Zusammenhang ist durch den Vergleich mit den orangefarbenen Balken, der die Anzahl der monatlichen Neuinfektionen in Deutschland anzeigt, deutlich zu erkennen.

Abbildung 1: Informationsverhalten der Teilnehmer:innen vs. monatliche Neuinfektionen mit COVID-19 in Deutschland im Jahr 2020
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember
Deutsche Teilnehmer Informieren sich "viel“ 23% 36% 95% 80% 68% 35% 29% 17% 30% 53% 70% 70%
Anzahl Neuinfektionen 0 29 71779 91201 20485 12338 14833 34127 48119 238879 537973 675755

Abb. 1 zeigt also eine Zunahme der Informationsintensität während der zweiten Welle, die offensichtlich durch den gleichzeitigen Anstieg der Neuinfektionen verursacht wurde, aber sie zeigt auch, dass die Entwicklung alles andere als parallel verläuft. Die Entwicklung der Infektionszahlen und die Veränderung im Informationsverhalten gehen zwar erkennbar in die gleiche Richtung, d.h. sie nehmen beide zu oder ab, allerdings eben keinesfalls proportional: Während beispielsweise die Infektionszahlen im Dezember beinahe 10 Mal so hoch waren wie im März (von der sicherlich höheren Dunkelziffer im März abgesehen), erreichte die Informationsintensität während der zweiten Welle nicht mehr das Niveau vom März. An dieser Stelle lässt sich bereits vermuten, dass eine gewisse Pandemiemüdigkeit durchschlägt und zu einer geringeren Informationsintensität führt, als angesichts der Infektionszahlen zu erwarten gewesen wäre.

Abbildung 2: Anteile der Informationsfrequenz in den Befragungswellen 1 (Mai 2020) und 2 (Dezember 2020). Basis sind jeweils die Personen, die angaben, mindestens drei der vorgegebenen Informationsquellen zu nutzen.

Zur Auswertung der Hypothese 1 wird die Variable "Informationsfrequenz“ aus der 1. Welle im Mai der 2. Welle im Dezember gegenübergestellt (siehe Abb. 2).

Der Anteil der Befragten, die sich täglich oder sogar mehrmals am Tag informieren, sinkt von 30 % im Mai auf 16 % im Dezember. Gleichzeitig steigt der Anteil der Befragten, die sich nur mehrmals im Monat oder seltener informieren, deutlich an: von 22 % auf 41 %. Da der Chi-Quadrat-Test ein Signifikanzniveau von 0,035 ausgibt und der Phi-Wert von 0,22 auf einen moderaten bis starken Zusammenhang (Cohen, 2013) zwischen dem Zeitaufwand und der Befragungswelle hindeutet, wird Hypothese 1 verifiziert: Die Befragten verbringen im Dezember signifikant weniger Zeit mit der Suche nach Nachrichten über das Coronavirus als im Mai.

4.3 Hypothese 2: Einfluss der Pandemiemüdigkeit

In Hypothese 2 wird ein negativer Einfluss der Pandemiemüdigkeit auf den Zeitaufwand für die Informationssuche zu COVID-19-Themen angenommen. Bei dieser Analyse wird in Abb. 3 das Ergebnis unter Zugrundelegung der Daten der zweiten Welle dargestellt.

Abbildung 3: Anteile der Informationsfrequenz in Abhängigkeit von der Pandemiemüdigkeit auf der Basis der zweiten Befragungswelle (n = 67)

Hier ist ein deutlicher Zusammenhang zu erkennen: Während sich nur annähernd 14 % der pandemiemüden Befragten täglich oder mehrmals täglich informieren, sind es etwa 36 % bei denjenigen, bei denen offenbar nur eine (eher) geringe Pandemiemüdigkeit besteht. Der hier beschriebene Zusammenhang ist von nicht unerheblicher Stärke (Phi ist 0,25) und mit p = 0,04 signifikant. Mit anderen Worten: Pandemiemüde Personen investieren weniger Zeit für die Suche nach Informationen über das Coronavirus als weniger pandemiemüde Personen. Insofern wird Hypothese 2 verifiziert; allerdings gilt dies nur für die zweite Befragungswelle, zu deren Zeitpunkt die Pandemie bereits 9 Monate andauerte.

In der analogen Auswertung (ohne Abbildung) auf der Basis der ersten Befragungswelle zeigt sich zwar eine ähnliche Tendenz, jedoch in deutlich abgeschwächter Form: Hier liegt der Anteil derer, die sich täglich oder mehrmals täglich informieren, an den wenig pandemiemüden Befragten bei 32%, also ähnlich wie im Dezember (etwa 36 %, siehe oben). Im Unterschied zur Dezember-Welle besteht im Mai jedoch kein großer Unterschied zum Informationsverhalten der Pandemiemüden, denn hier beträgt der Anteil derjenigen, die sich sehr häufig informieren, 26% und liegt damit in einer vergleichbaren Größenordnung. Damit wird deutlich, dass die Befragten im Mai 2020 zwar auch eine Pandemiemüdigkeit empfanden, also bereits zwei Monate nach Beginn der Pandemie. Allerdings war diese zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht so verinnerlicht, als dass sie sich auf das Informationsverhalten ausgewirkt hätte.

4.4 Hypothese 3: Informationssuche und Wissensstand

In Hypothese 3 wird davon ausgegangen, dass eine höhere Informationsfrequenz auch zu einem höheren Grad an Informiertheit führt. Die Ergebnisse der Gegenüberstellung der beiden entsprechenden Variablen sind in Abb. 4 zu sehen. Auch hier bezieht sich die Abbildung auf die Ergebnisse der zweiten Welle.

Abbildung 4: Anteile der Informiertheit in Abhängigkeit von der Informationsfrequenz auf der Basis der zweiten Befragungswelle (n = 67)

Auch Hypothese 3 kann auf der Datenbasis der zweiten Befragungswelle bestätigt werden: Mehr als 81 % der Befragten, die sich täglich informieren, fühlen sich sehr gut informiert, während nur 49 % der Befragten mit einer geringeren Informationsfrequenz eher bis sehr gut informiert sind. Auch dieser Zusammenhang ist signifikant (p=0,02) und ist mit Phi in Höhe von 0,28 bereits als eher stark einzuordnen.

Für die erste Welle lässt sich wiederum auch dieser Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen: Tendenziell fühlen sich zwar auch im Mai schon die Personen mit höherer Informationsfrequenz besser informiert, aber die Unterschiede zwischen den Personen mit hoher und eher niedriger Informationsfrequenz sind weniger stark ausgeprägt: Der Anteil der eher gut bis sehr gut Informierten liegt unter denjenigen, die sich täglich informieren bei 54% gegenüber 41% bei den sich weniger häufig Informierenden. Demnach hat sich der Anteil derjenigen, die sich gut informiert fühlen, unter den Personen mit niedriger Informationsfrequenz kaum verändert (41% vs. 49%), allerdings zeigt sich eine deutliche Veränderung bei den Personen mit hoher Informationsfrequenz, die in Abb. 5 visualisiert wird. Offenbar leistet also eine hohe Informationsfrequenz im Dezember einen deutlich höheren Beitrag zu dem Gefühl, gut informiert zu sein, als es noch im Mai der Fall war.

Abbildung 5: Informiertheit bei Personen mit hoher Informationsfrequenz in der ersten und zweiten Befragungswelle (n = 50 bzw. 16)

4.5 Hypothesen 4a und 4b: Zuversicht und Impfbereitschaft

In Hypothese 4a wird zunächst ein Zusammenhang vermutet zwischen dem Grad an Informiertheit und geäußerter Zuversicht, dass die Krise überwunden wird. Zwischen den beiden betreffenden Aussagen besteht in beiden Wellen ein positiver Zusammenhang mittlerer Stärke: Der Pearson Korrelationskoeffizient beträgt in der ersten Welle 0,32 und 0,40 in der zweiten Welle, beide Male mit einer hohen Signifikanz von unter 0,001. Daher kann Hypothese 4a akzeptiert werden: Gut über die Krankheit COVID-19 informiert zu sein steht in einem positiven Zusammenhang mit einer optimistischen Einschätzung des weiteren Pandemiegeschehens, wobei dieser Zusammenhang im Pandemieverlauf offenbar noch gestärkt wurde.

Hypothese 4b thematisiert die Impfbereitschaft, bei der sich der vermutete Zusammenhang mit der Informiertheit bestätigt: Der Pearson Korrelationskoeffizient von 0,29 steht zwar für einen Zusammenhang nur moderater Stärke (Cohen, 2013), ist aber mit einer zweiseitigen Signifikanz von 0,02 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zufällig.

5 Diskussion

Zusammenfassend zeigt sich, dass diese Arbeit alle vier Forschungshypothesen überprüfen und damit auch Antworten auf die zugrunde gelegten Forschungsfragen liefern konnte: Wie hat sich das Informationsverhalten junger Menschen unter 35 Jahren im Verlauf der COVID-19-Pandemie verändert? Und: Welche Auswirkungen haben das Informationsverhalten und seine Veränderung auf den Optimismus und die Impfbereitschaft der jungen Zielgruppe?

Zunächst soll auf die Grenzen dieser Arbeit hingewiesen werden. Die Befragten beider Wellen bestehen aus einer relativ homogenen Gruppe von Studierenden und Absolvent:innen aus einer bestimmten Region, so dass die Ergebnisse nicht auf die Bevölkerung insgesamt übertragbar sind. Die Zielgruppe ist jünger und besitzt auch einen höheren formalen Bildungsabschluss als die gesamte Bevölkerungsstruktur in Deutschland. Zudem fand die Befragung punktuell in einem Gebiet Deutschlands statt, das nicht nur als wirtschaftlich strukturstarke Region gilt, sondern zudem auch durchgehend durch relativ niedrige COVID-19-Inzidenzen gekennzeichnet war und noch immer ist. Zudem waren die Pandemiesituationen, in denen die beiden Umfragen durchgeführt wurden, nicht identisch. Die erste Befragungswelle wurde in der relativ ruhigen Zeit nach der ersten Infektionswelle durchgeführt, in der sich die Infektionszahlen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau befanden. Die zweite Befragungswelle fiel dagegen zeitlich mitten in die ungleich schwerere zweite Infektionswelle. Dieser Umstand erschwert nun die Vergleichbarkeit der Ergebnisse bzw. sollte zumindest bei der Interpretation der Ergebnisse Berücksichtigung finden. Praktisch ist jedoch vermutlich die Durchführung von Befragungswellen in vergleichbaren Pandemiesituationen kaum möglich, da sich die Entwicklung der Infektionsraten andauernd und teilweise sehr schnell ändert, wodurch sie entsprechend schlecht vorherzusehen ist.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich das Informationsverhalten junger Menschen verändert hat: Die Befragten verbrachten im Dezember deutlich weniger Zeit mit der Informationssuche zu pandemierelevanten Fragestellungen als im Mai. Insbesondere pandemiemüde Personen in der zweiten Befragungswelle wendeten dabei weniger Zeit mit der Informationssuche zu COVID-19-Themen auf als Personen, die eher nicht als pandemiemüde einzuordnen sind. Diese Ergebnisse unterstützen auch die Ergebnisse von Lilleholt et al. (2020) die feststellen, dass Pandemiemüdigkeit bei den Befragten in Deutschland und Italien vorhanden ist und im Verlauf der Pandemie zugenommen hat. Die Tatsache, dass die meisten Befragten der vorliegenden Studie als pandemiemüde klassifiziert wurden, kann auch durch ihr junges Alter erklärt werden: Nach Lilleholt et al. (2020) leiden jüngere Menschen tendenziell stärker unter Pandemiemüdigkeit als ältere.

Der vermutete positive Zusammenhang zwischen der Zeit, die für die Informationssuche aufgewendet wird, und dem Grad der Informiertheit lässt sich ebenfalls nachweisen, allerdings ist dieser nur für die zweite Befragungswelle signifikant und damit eindeutig. Möglicherweise hatten auch Menschen, die sich häufig informieren, noch im Mai den Eindruck, dass ein guter Informationsstand gar nicht erreichbar ist, da auch die Informationsquellen selbst, wie Virolog:innen und Gesundheitsorganisationen, sich zu dem Zeitpunkt angesichts der Neuartigkeit des Virus noch in einem Erkenntnisprozess befanden.

Die Tatsache, dass sich der Anteil derjenigen, die sich gut bis sehr gut informiert fühlen, im Pandemieverlauf erhöht hat, darf nun Anlass zu einem gewissen Optimismus geben. Denn ein höherer Informiertheitsgrad führt zum einen zu einer größeren Zuversicht, dass Deutschland die Pandemie bewältigen wird. Zum anderen führt ein höherer Grad an Informiertheit auch zu einer höheren Impfbereitschaft gegen COVID- 19. Diese Ergebnisse werden von anderen Wissenschaftlern unterstützt, wie Wang et al. (2021) und Kourlaba et al. (2021), die ebenfalls Korrelationen fanden zwischen dem Informationsstand der Bürger:innen eines Landes und der Fähigkeit dieses Landes, das Virus zu bekämpfen, nicht zuletzt durch Impfungen. Dass nun eine hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung die Voraussetzung für das Erreichen der Herdenimmunität und damit die Überwindung der Pandemie ist, ist mittlerweile Konsens.

Schließlich lässt sich festhalten, dass die Verbreitung wahrer, faktenbasierter und ehrlicher Informationen über das COVID-19-Virus und entsprechender Schutz- und Präventionsmaßnahmen nicht minder wichtig ist als die Implementierung der Schutzmaßnahmen selbst. Belastbare Informationen, die bei den Menschen ankommen und von ihnen als glaubwürdig erachtet werden, führen nicht nur zu einer höheren Akzeptanz dieser Maßnahmen, sondern auch zu einer höheren Zuversicht und einer höheren Impfbereitschaft. Erschwert wird die Informationsaufnahme allerdings durch die Pandemiemüdigkeit der Menschen, von der angenommen werden darf, dass ihr negativer Einfluss auf den Willen der Menschen, sich zu informieren oder auch sich an Regeln zu halten, weiter zunehmen wird. Umso wichtiger ist die kontinuierliche Bereitstellung zuverlässiger, faktenbasierter Informationen, denn schwer verständliche, irreführende oder sogar falsche Informationen sind destruktiv und können schwerwiegende Auswirkungen haben. Dabei liegt die Verantwortung für die Verbreitung korrekter Informationen in erster Linie bei den Informationsquellen und den Medienkanälen, aber natürlich auch bei den Rezipienten, die Informationen weiter teilen und dabei, bewusst oder unbewusst, ursprüngliche Informationen verfälscht weitergeben können.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die Vertrauenswürdigkeit von Informationsquellen genauer zu betrachten. Zunächst genießen prominente Virolog:innen in Deutschland ein relativ hohes Vertrauen, jedoch ist dies von Mai bis Dezember 2020 deutlich gesunken. Dieser Vertrauensverlust könnte letztlich auch auf die Pandemiemüdigkeit zurückzuführen sein. Während Virolog:innen früher Expert:innen waren, deren Ratschläge "fast niemand in Frage gestellt hat“ (Lavazza & Farina, 2020) könnte sich dies geändert haben, da die Menschen der Einschränkungen in ihrem Alltag überdrüssig wurden und die Aussagen der aus den Medien bekannten Virolog:innen zumeist wenig Anlass zur Hoffnung gaben. Allein das plötzliche Rampenlicht auf einen Beruf, der – vor der Pandemie – meist außerhalb des Blickfelds der Öffentlichkeit stand, mag manche skeptisch gestimmt haben. Möglicherweise haben auch Veränderungen in den Einschätzungen und Empfehlungen der Virolog:innen, die aufgrund von neuen Forschungserkenntnissen über das Virus nötig waren, für Außenstehende inkonsistent oder sogar widersprüchlich gewirkt, so dass ihr Misstrauen geweckt wurde. Auch die Tatsache, dass verschiedene Virolog:innen unterschiedliche Meinungen hatten und Meinungsverschiedenheiten auch öffentlich austrugen, könnte zu zusätzlicher Verwirrung geführt haben. Dieser Einfluss von Virolog:innen auf die öffentliche Meinung wurde bisher noch nicht in vielen wissenschaftlichen Arbeiten thematisiert und sollte in Zukunft weiter untersucht werden.

Weiterhin liegt die Vertrauenswürdigkeit von Regierungsquellen für junge Menschen in Deutschland auf einem stabilen, hohen Niveau. Offensichtlich haben auch einige widersprüchliche Informationen zu Beginn der Pandemie, wie z.B. die Sinnhaftigkeit des Maskentragens, die erst verneint, dann wieder befürwortet wurde4, daran keinen Abbruch getan. Die vertrauenswürdigsten Quellen sind jedoch in beiden Wellen Gesundheitsorganisationen, während Aussagen von Blogger:innen und Influencer:innen in sozialen Medien am wenigsten Vertrauen geschenkt wird. Die sich in diesem Zusammenhang aufdrängende Frage, warum z.T. wenig faktenbasierte Botschaften in sozialen Medien dennoch bei vielen Personen verfangen (Moravec, Minas & Dennis, 2018), kann zum einen mit dem Hinweis auf die im Vergleich zur Bevölkerung höher gebildete und damit evtl. auch (medien-) kritischere Stichprobe beantwortet werden. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass der Effekt der sozialen Erwünschtheit bei der Beantwortung dieser Frage zu niedrigeren Vertrauenswerten sozialer Medien führt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Informationsquellen wie Gesundheitsorganisationen und staatliche Quellen offenbar als seriös empfunden werden und ein hohes Maß an Vertrauen genießen. Diese Informationsanbieter sollten sich weiterhin ihrer Verantwortung bewusst sein und gewissenhaft verifizierte Informationen herausgeben, da dies für den weiteren Verlauf der Pandemie entscheidend sein kann.

Autor*innenbeiträge

Stefanie Schöberl und Peer Kieweg haben das Design der Studie gemeinsam erstellt. Die Datenerfassung und –aufbereitung der ersten Befragungswelle hat S.Sch, die der zweiten Befragungswelle PK übernommen. S.Sch hat die Daten statistisch ausgewertet, die grafische Aufbereitung erfolgte gemeinsam. S.Sch und PK haben den Artikel gemeinsam verfasst.

Datenverfügbarkeit

Die diesem Artikel zugrunde liegenden Daten können durch die Autor:innen auf Anfrage bereit gestellt werden.

Finanzierung

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit wurde aus eigenen Mitteln finanziert.

Interessenskonfliktstatement

Die Autor*innen erklären, dass ihre Forschung ohne kommerzielle oder finanzielle Beziehungen durchgeführt wurde, die als potentielle Interessenskonflikte ausgelegt werden können.

Literatur

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  1. Fernsehansprache von Angela Merkel vom 18.3.2020: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/fernsehansprache-von-bundeskanzlerin-angela-merkel-1732134↩︎

  2. https://www.ndr.de/nachrichten/info/97-Coronavirus-Update-Wir-muessen-uns-aus-der-Pandemie-rausimpfen,podcastcoronavirus334.html↩︎

  3. https://www.whitehouse.gov/briefing-room/press-briefings/2021/06/22/press-briefing-by-white-house-covid-19-response-team-and-public-health-officials-42/↩︎

  4. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/masken-gegen-corona-erst-sinnlos-und-jetzt-pflicht-16736962.html↩︎

Anhang

Fragebogen (Auszug)

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Zitationen
3
3
3 von Crossref erfasste Zitate
  
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    DOI: 10.1515/iwp-2022-2248

  2. Changes in value priorities due to the COVID-19 pandemic—A 4-year cross-sectional study with German students
    Christian Hannes et al. (2024)
    PLOS ONE
    DOI: 10.1371/journal.pone.0297236

  3. Gesundheitsinformationsverhalten und Gesundheitskompetenzen zur COVID-19-Schutzimpfung von Menschen in Deutschland – Befunde der CoSiD-Studie
    Catherin Bosle et al. (2022)
    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
    DOI: 10.1007/s00103-022-03617-9

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  2. Wissenschaftskommunikation und Informationsverhalten während der COVID-19-Pandemie: Eine Analyse von Umfragedaten und Interviews
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  • Abstract
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Erhalten

2021-09-24

Akzeptiert

2021-10-29

Veröffentlicht

2021-12-22

Ausgabe

Rubrik

COVID, Krise, Kommunikation: Forschungsnotiz