Was kann man in bibliothekarischen Zeitschriften publizieren?

Einige Anregungen für praxisnahe Beiträge

  • Dr. Karsten Schuldt Schweizerisches Institut für Informationswissenschaft, Fachhochschule Graubünden; Redaktion LIBREAS. Library Ideas
    Wissenschaftlicher Projektleiter

DOI:

https://doi.org/10.15460/apimagazin.2025.6.2.248

Schlagworte:

Beiträge, Fachdiskussion, Fachliteratur, Bibliothekarisches Publikationswesen

Begutachtung

  • Prof. Dr. Ulrike Verch HAW Hamburg

Abstract

Bibliothekarische Fachdiskussion lebt davon, dass sich an ihr möglichst viele Bibliothekar*innen aktiv beteiligen. Die Zeitschriften des Bibliothekswesens sind bisher aber geprägt von Autor*innen aus Bibliotheksleitungen und bibliothekarischen Infrastruktureinrichtungen. Der Text gibt aus der subjektiven Sicht des Redakteurs einer bibliothekswissenschaftlichen Zeitschrift eine Übersicht zu verschiedenen Textformen neben wissenschaftlichen Studien, welche sich für solche Beiträge anbieten. Anschließend werden andere Möglichkeiten der Unterstützung von bibliothekarischen Zeitschriften genannt.

1 Vorwort und Motivation

Bibliotheken entwickeln sich ständig weiter. Dazu gehört, ob und wie Bibliotheken untereinander kommunizieren: Wenn sie es nicht tun, sind sie oft gezwungen, in internen Projekten Lösungen zu finden, die andere Bibliotheken auch (oft schon vorher) gefunden haben. Neben Tagungen, Weiterbildungen, gegenseitigen Besuchen und Mailinglisten stellt in den deutschsprachigen Ländern (dem DACH-Raum1) die bibliothekarische Fachliteratur den Hauptkanal dieser Kommunikation zwischen Bibliotheken dar. Sie besteht heute zum großen Teil aus Zeitschriften, sowohl rein digitalen als auch gedruckten – wobei die gedruckten zumeist auch eine digitale Ausgabe haben (Schuldt 2023).

Wie gut diese bibliothekarische Literatur als Kommunikationsweg zwischen Bibliotheken funktioniert, hat natürlich auch damit zu tun, wie viele und welche Bibliothekar*innen (oder anderen Personen aus dem Bibliothekswesen, also vor allem aus den Infrastruktureinrichtungen wie Verbundzentralen oder Ausbildungseinrichtungen wie den Fachhochschulen) in ihr publizieren. Je mehr Stimmen in den Zeitschriften zu vernehmen sind und je unterschiedlicher diese sind (unter anderem, je mehr die Beitragenden unterschiedliche Hierarchieebenen und damit auch Sichtpunkte im Bibliothekswesen vertreten), umso besser wird die bibliothekarische Kommunikation, weil sie so vollständiger und multiperspektiver wird. Allerdings ist die bibliothekarische Fachpresse heute davon geprägt, dass eine Anzahl von Personen aus dem Bibliothekswesen sehr viel schreiben, währende andere selten und viele gar nicht publizieren. Die Personen, die oft schreiben, haben zudem oft einen sehr spezifischen Fokus: Neben Forschenden an Fachhochschulen – in deren Leistungsauftrag das Publizieren fällt – sind dies oft Personen aus Verbundzentralen, Fachstellen und anderen bibliothekarischen Infrastruktureinrichtungen, oder aber Personen aus Bibliotheksleitungen. Oder anders: Gerade die Bibliothekar*innen, die mit der direkten bibliothekarischen Arbeit befasst sind, schreiben sehr wenig über ihre eigenen Erfahrungen, Fragen, Projekte und Gedanken (Schuldt 2022).

Das ist keine neue Situation – sie wurde in den letzten Jahrzehnten schon mehrfach bemerkt und es wurde auch versucht, sie zu verändern, beispielsweise durch explizite Aufrufe zur Mitarbeit oder die Gründung eigener bibliothekarischer Zeitschriften „von unten”. Darum soll es in diesem Text aber nicht gehen. Vielmehr greife ich auf meine eigenen Erfahrungen als Redaktionsmitglied und Bibliothekswissenschaftler zurück – ich bin seit über 15 Jahren in der Redaktion der „LIBREAS. Library Ideas” aktiv und unterrichte auch seit fast 15 Jahren Studierende im Bibliothekswesen, zuerst an der FH Potsdam und heute an der Fachhochschule Graubünden. Ich nehme oft wahr, dass Bibliothekar*innen (und Studierende im Bibliothekswesen) neben allen anderen Gründen, warum sie nicht schreiben (z. B. die hohe Arbeitsbelastung), oft angeben, dass sie der Meinung sind, nichts Interessantes zu sagen zu haben oder sich nicht in der Lage sehen, umfassende wissenschaftliche Texte zu schreiben.

In gewisser Weise scheint die Idee vorzuherrschen, ein Beitrag in einer bibliothekarischen Fachpublikation müsse eine wissenschaftliche Arbeit darstellen, in die dann auch genügend Aufwand investiert werden muss. Das ist aber nicht der Fall: Die bibliothekarische Fachliteratur zeichnet sich durch ganz verschiedene Textformen aus.2 Zudem können alle Eindrücke und Überlegungen aus dem Bibliothekswesen für andere Bibliothekar*innen relevant oder interessant sein, auch wenn sie nicht das Ergebnis einer expliziten wissenschaftlichen Studie darstellen. Mir drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass Bibliothekar*innen (oder Studierenden) manchmal nicht klar ist, was für Beiträge und Inhalte neben wissenschaftlichen Beiträgen auch immer möglich und sinnvoll wären.

Deshalb möchte ich im Folgenden eine (sicherlich unvollständige) Auswahl an „kleinen Beitragsformen” nennen und kurz kommentieren, sowie jeweils einige mögliche Inhalte nennen, die in der bibliothekarischen Fachliteratur möglich sind. Auswahl und Kommentare wurden nicht systematisch vorgenommen, sondern spiegeln meine Erfahrungen wider (auch aus Gesprächen mit Redakteur*innen anderen bibliothekarischer Zeitschriften), sind also explizit subjektiv zu verstehen. Meine Hoffnung dabei ist, dass dies Bibliothekar*innen und Studierende motiviert, mehr zu schreiben und die jeweils eigene Stimme hörbar zu machen.

2 Interviews

Interviews mit Bibliothekar*innen aus anderen Einrichtungen, mit Kolleg*innen aus der eigenen Einrichtung oder mit Forschenden (aus der Bibliotheks- und Informationswissenschaft oder anderen Disziplinen) sind eine gute Möglichkeit, um gleichzeitig Fragen zu stellen, die eine*n selber in der Bibliothekspraxis oder dem Studium interessieren und gleichzeitig Wissen für das weitere Bibliothekswesen zu produzieren. Wie gesagt, scheint es oft so, als wären insbesondere Kolleg*innen aus der konkreten Bibliothekspraxis der Meinung, selber wenig Interessantes zu sagen zu haben, obgleich andere Kolleg*innen von deren Wissen profitieren könnten. Zudem scheint es oft so, als würden viele Bibliothekar*innen keine eigenen Texte schreiben wollen.3 Aber auf konkrete Fragen antworten sie dann doch gerne.

In der Vergangenheit boten sich für eine Veröffentlichung insbesondere schriftlich geführte Interviews an, weil die befragten Personen dann länger über die konkreten Antworten nachdenken konnten und gleichzeitig nach dem „Interview” schon ein Text vorlag, der nur noch Korrektur gelesen und gegebenenfalls gekürzt werden musste. Heute, wo ein Transkript mittels Large Language Models erstellt werden kann, sind mündlich geführte Interviews eventuell passender.

Wichtig bei Interviews ist, konkrete Fragen zu Projekten oder Erfahrungen zu stellen und sich nicht im Allgemeinen aufzuhalten. (Dies gilt zumindest für die dann publizierten Teile. Selbstverständlich kann man im Vorgespräch auch allgemeine Fragen stellen.) Nicht sinnvoll sind Bestandteile wie biografische Einführungen („Warum sind Sie Bibliothekar*in geworden?” etc.). Grundsätzlich aber: Wenn ein*e Bibliothekar*in oder Student*in ein Thema aus der Praxis einer anderen Bibliothek interessiert, dann interessiert es wohl auch weitere Bibliothekar*innen und eignet sich für ein Interview.

3 Rezensionen

Die wohl verbreitetste Form eines kurzen Textes ist die Rezension, also zumeist die Besprechung einer Monografie. Es gibt aber keine Regel, dass Rezensionen nur für ein selbstständig erschienenes Werk erstellt werden können – auch längere Artikel oder andere Medien (Vorträge, Podcasts etc.) können besprochen werden.

Wichtig bei Rezensionen ist, (a) dass sie keine reinen Nacherzählungen des Inhalts sein sollen, (b) dass sie keinen kleinlichen Verriss darstellen sollen, der nur dazu geschrieben wird, um den Inhalt des besprochenen Mediums kleinteilig zu widerlegen und (c) dass sie sich nicht auf Allgemeinaussagen beschränken sollen. Eine Rezension soll die Leser*innen darüber informieren, ob es sich lohnt, das besprochene Medium zu lesen oder zu konsumieren. Dazu soll es auch bewertet werden, aber spezifisch: Die Kriterien sollen klar sein. Eine Aussage wie, dass ein Buch „spannend” wäre oder „zum Denken anregt”, sagt den Leser*innen nicht wirklich etwas.

Wichtig wäre zu sagen, wer vom Konsum des jeweiligen Mediums profitieren würde, also z. B. Bibliothekar*innen, die mit Jugendlichen arbeiten oder Kolleg*innen, die ein Repositorium aufsetzen wollen. Wenn möglich, sollte eine Rezension auch den Publikationskontext beachten: Sagt das besprochene Medium etwas Neues, wiederholt es Dinge, die anderswo auch schon thematisiert wurden oder baut es auf vorher publizierten Medien auf? Dazu ist es dann aber notwendig, (a) diesen Kontext zu kennen (also beispielsweise weitere Literatur zur Arbeit mit Jugendlichen in Bibliotheken zu kennen, wenn man ein Buch zu diesem Thema bespricht) und (b) sich nicht auf Behauptungen im besprochenen Medium selber zu verlassen. In den letzten Jahrzehnten ist es üblich geworden, viele Beiträge mit solchen Behauptungen einzuleiten, wie dass sie etwas „das erste Mal” thematisieren würden oder „innovativ” seien. Solange das nicht nachgewiesen wird (beispielsweise durch eine Literaturübersicht im besprochenen Text), sollte man das als Marketing bewerten.

Bei jeder Rezension sollte daran gedacht werden, dass insbesondere im Bibliothekswesen praktisch alle Publikationen von Personen erstellt werden, für die dies nicht Teil des Arbeitsauftrags ist – fast alle schreiben ohne Entlohnung oder andere Renumeration. Insoweit sollte auch die Rezension wertschätzend mit den Texten und der Arbeit der jeweiligen Autor*innen umgehen, selbst in dem Fall, dass sie einen Text als wenig hilfreich einschätzen.

4 Kurze Berichte

Im Bibliothekswesen finden regelmäßig Konferenzen, Tagungen, Fort- und Weiterbildungen statt, an denen naturgemäß niemals alle Kolleg*innen teilnehmen können, die davon profitieren könnten. Besucht man eine dieser Veranstaltungen, so bietet sie sich meist als Thema für einen Bericht an.

Wichtig bei Berichten ist, sie als Information zu verstehen: Was sollten Kolleg*innen, die nicht anwesend waren, über die Inhalte dieser Treffen wissen? Z. B., was wurde vorgestellt, was von Interesse ist? Welche Diskussionen wurden geführt? Welche neuen Informationen wurden auf dem Treffen verbreitet? Welche Entscheidungen wurden getroffen?

Nicht von Interesse ist – obgleich dies oft in Berichten erwähnt wird – zum Beispiel, welches Wetter herrschte, welche touristischen Höhepunkte des Orts, an dem die Veranstaltung stattfand, besucht wurden oder wer an welchen sozialen Veranstaltungen teilnahm. Ebenso wenig sinnvoll sind Fotos von Kolleg*innen, die in Arbeitsgruppen zusammensitzen, bei einem Apéro zusammenstehen oder eine Rede beklatschen. Berichte in bibliothekarischen Medien sollten – wie alle Texte, die der Information dienen – sich auf die relevanten Informationen fokussieren.

5 Übersichten

Im Rahmen der bibliothekarischen Arbeit werden immer wieder thematische Übersichten erstellt, um sie dann für die interne Entscheidungsfindung zu nutzen. Beispielsweise sammeln Bibliotheken, bevor sie einen Service neu einführen, oft Erfahrungen aus vergleichbaren Bibliotheken, um diese als Daten für die eigene Entscheidung über den betreffenden Service zu nutzen. Fast alle diese Übersichten werden dann intern gehalten. Dabei würden selbstverständlich auch andere Bibliotheken von solchen Übersichten profitieren. Sie bieten sich also, wenn man sie richtig einordnet (z. B. sagt, wie man die Bibliotheken ausgewählt hat, deren Erfahrungen man nutzt), ebenso für eine Publikation an.

Solche Übersichten müssen nicht einmal aus der Bibliothekspraxis selber stammen. Auch, wenn sich ein*e Kolleg*in für eine Frage interessiert (z. B. welche Gebühren es in bestimmten Bibliotheken gibt), können sie „im eigenen Auftrag” erstellt und dann publiziert werden. Zudem sind solche Datensammlungen auch oft Teil von Abschlussarbeiten im Studium oder der Berufsausbildung. Auch diese können sich zur gesonderten Publikation – also ohne gleich immer die ganze Arbeit darstellen zu müssen – eignen.

6 Projektberichte

Praktisch jede Bibliothek ist ständig mit der Durchführung von Projekten beschäftigt, sei es die Planung von Neu- und Umbauten, die Evaluation von vorhandenen Beständen und Services oder die Planung und Durchführung von Veranstaltungen. Studierende werden ja auch explizit dazu ausgebildet, solche Projekte aufzusetzen und durchzuführen. In vielen Bibliotheken scheint die Vorstellung verbreitet zu sein, entweder (a) zu besonders und anders als andere Bibliotheken zu sein oder aber (b) selber zu klein und die Projekte deshalb zu unbedeutend, um darüber zu publizieren. Beides ist falsch. Jede Bibliothek ist besonders, aber doch gibt es immer etwas aus ihr, von dem andere Bibliotheken profitieren können. Dies wird aber oft erst sichtbar, wenn überhaupt über Projekte berichtet wird. Gleichzeitig ist der Großteil der Bibliotheken im DACH-Raum klein, mit wenig Ressourcen ausgestattet und deshalb auch die Projekte in ihnen „klein”. Gerade deshalb aber wäre es auch wichtig, wenn konkrete Projekte aus diesen publiziert werden. Beispielsweise wäre es für eine Gemeindebibliothek mit vielleicht drei Mitarbeiter*innen relevant zu erfahren, wie eine andere Gemeindebibliothek dieser Größe konkret bei der Aufstellung des „BookTok-Regals” vorgeht und nicht, wie dies in den Stadtbibliotheken von Millionenstädten passiert.

Kurzum: Viele der internen Projekte, welche in Bibliotheken durchgeführt werden, eignen sich auch für eine Publikation in der bibliothekarischen Fachliteratur. Dabei sollte wieder darauf geachtet werden, die relevanten Informationen zu vermitteln, konkrete Aussagen zu machen (also nicht, „wir analysierten die Daten nach der Umfrage”, sondern konkrete, „wir gingen bei der Analyse so und so vor”) und vor allem darauf zu verzichten, jedes Projekt als neu und innovativ zu bezeichnen. Bibliotheken stehen nicht in Konkurrenz miteinander, insoweit erzielen sie keinen Vorteil davon, etwas „als Erste” zu tun. Insoweit ist es wichtiger, das Vorgehen in einem Projekt so zu vermitteln, dass andere Bibliotheken es reproduzieren könnten, als zu behaupten, es sei ganz neu.4

7 Erfahrungsberichte

Was für die Projektberichte gilt, lässt sich auch über weitere Erfahrungen aus dem Bibliotheksalltag sagen: Oft sammeln Bibliothekar*innen „Praxiswissen”, stellen sich Fragen, welche sich aus dem Berufsalltag ergeben und beantworten diese oder erleben besondere Situationen, aus denen sich auch für andere Bibliotheken etwas lernen lässt. Diese können im Alltag als recht unwichtig oder „normal” erscheinen, aber doch Themen anreißen, welche für andere Bibliotheken relevant sind. Beispielsweise suchen die meisten Bibliotheken immer wieder neue Wege, um mit anderen Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Für die kann es dann hilfreich sein, zu erfahren, wenn eine andere Bibliothek dabei gute Erfahrungen mit einem bestimmten Vorgehen gehabt hat. Oder, wenn eine Bibliothek einen Wandel in der Mediennutzung feststellt (z. B. wenn die Bücher im „BookTok-Regal” nicht mehr „ziehen” oder wenn auf einmal die Nachfrage nach klassischer Musik auf CDs wieder steigt), kann es für andere Bibliotheken relevant sein, darüber zu erfahren – schon, damit geschaut werden kann, ob dies ein allgemeiner Trend ist oder einer, der nur lokal zu beobachten ist.

Und selbstverständlich treten in Bibliotheken auch Situationen auf, die für die jeweilige Bibliothek besonders sind – weil sie selten vorkommen. Aber gemessen daran, wie viele Bibliotheken es eigentlich gibt und wie lange schon, ist dieses „selten” oft zu relativieren. Neben Katastrophen (wie Bibliotheksbränden) gilt dies z. B. auch für Neubauten von Bibliotheken oder Besuche wichtiger Persönlichkeiten – über die Anzahl der Bibliotheken gesehen gibt es eigentlich immer irgendwelche Neubauten oder prominenten Besuche. Insoweit können auch Berichte dazu ein gutes Thema für Publikationen in der bibliothekarischen Fachliteratur darstellen. Beachtet werden sollte dabei immer wieder, dass es in diesen Erfahrungsberichten darum gehen sollte, zu schildern, was für Bibliothekar*innen in anderen Einrichtungen relevant ist. Beispielsweise nicht, was ein*e Architekt*in über einen Bibliotheksneubau denkt (die schreiben das eh relativ oft auf und publizieren es dann), sondern was die Bibliothek im Prozess gelernt hat und das nächste Mal anders machen würde. Oder nicht, welche Biografie die Botschafter*innen haben, die eine Bibliothek besuchten, sondern wie die Bibliothek sich auf den Besuch vorbereitet hat, wie er ablief und was andere Bibliotheken bei ähnlichen Besuchen beachten sollten. Erfahrungsberichte, die sich direkt aus dem Bibliotheksalltag ergeben (also z. B. die oben erwähnten Veränderungen in der Mediennutzung) eigenen sich auch dazu, mit einem Aufruf an andere Bibliothekar*innen zu enden, ob sie ähnliche Beobachtungen gemacht haben.

8 Ortsbesuche

Eine Form von kurzen, aber interessanten Texten, die leider in den letzten Jahrzehnten ein wenig ins Hintertreffen geraten sind, kann man als „Ortsbesuche” bezeichnen. In der bibliothekarischen Literatur der 1960er- bis 1980er-Jahre hingegen war es normal, Texte zu finden, bei denen jemand (ein*e Redakteur*in einer Zeitschrift, Kolleg*innen aus Fachstellen, andere Bibliothekar*innen etc.) eine oder mehrere Bibliotheken besuchte, sich über deren konkrete Arbeit, Erfolge und Herausforderungen informierte, und dann darüber berichtete. Diese Berichte boten insbesondere einen Einblick in den Alltag kleinerer Einrichtungen.5

Solche Ortsbesuche, insbesondere wenn sie aus einem explizit bibliothekarischen Blick geschrieben werden und daraufhin fokussiert werden, andere Bibliothekar*innen zu informieren, sind auch heute mögliche Textformen. Wie bei den Veranstaltungsberichten sollten sie aber daran orientiert sein, die notwendigen Fakten zu nennen: Was macht eine Bibliothek? Wie ist ihre Ausstattung? Wie ihre Planung? Wie ihre Erfahrung? Und weniger: Welchen Ausblick hat man aus der Bibliothek? Wie nett ist das Personal? Wie lieblich der Weg zur Bibliothek?

9 Formen der Mitarbeit bei bibliothekarischen Zeitschriften

Der überwiegende Teil der bibliothekarischen Fachpresse wird ohne Vergütung erstellt. Nur in einer kleinen Anzahl der Zeitschriften (vor allem solchen von Verbänden und von Fachstellen) gibt es Redakteur*innen, die für diese Arbeit einen Lohn erhalten. Aber auch für diese Zeitschriften wird viel ehrenamtliche Arbeit geleistet. Diese Arbeit lastet oft auf den Schultern einer kleinen Anzahl von Engagierten. Wenn Bibliothekar*innen oder Studierende ein Interesse haben, die bibliothekarische Fachpresse zu unterstützen, aber nicht schreiben wollen, so bietet sich eine Hilfe für oder eine direkte Mitarbeit in diesen Zeitschriften an. Die Möglichkeiten dafür sind wohl bei jeder Zeitschrift anders, lassen sich aber bei den betreffenden Redaktionen leicht erfragen.

9.1 Korrektur

Eine Möglichkeit ist das Korrekturlesen vor der Veröffentlichung von Texten. Dies wird in vielen Redaktionen von den Mitgliedern derselben durchgeführt, neben der eigentlichen Redaktionsarbeit, die wie gesagt meist auch neben der eigentlichen Berufsarbeit passiert. In vielen Redaktionen sind Personen, die verlässlich dabei helfen, Texte formal zu kontrollieren, gerne gesehen.

9.2 Peer Review

In der bibliothekarischen Fachpresse des DACH-Raumes gibt es verschiedene Formen von Reviews: Angefangen von Zeitschriften, bei denen nicht klar ist, wie diese durchgeführt werden, über solche mit einer Editorial Review (z. B. die „LIBREAS. Library Ideas”) bis hin zu einem explizit strukturierten Peer Review (z. B. die „o-bib” oder die „Bibliothek. Forschung und Praxis”). Dabei besteht immer eine Herausforderung, überhaupt Bibliothekar*innen dafür zu gewinnen, die Aufgabe des Reviews zu übernehmen. Sich dafür explizit bereit zu erklären, ist also immer auch eine Hilfe für die Redaktionen.

Eine Review sollte in diesem Fall immer fair (also von realistischen Ansprüchen an die Autor*innen ausgehend), potentialorientiert (also nicht „vernichtend”, sondern gegebenenfalls mit Hinweisen darauf, wie ein Text noch besser gemacht werden kann) und überprüfend (also die Frage klärend, ob er nachvollziehbar, sachlich richtig und gegebenenfalls reproduzierbar) ist. Es sollte nicht darum gehen, einen Text „zu verhindern”, sondern vielmehr sollte das Ziel immer sein, zu helfen, einen Text publikationswürdig zu machen – wenn er es nicht schon ist.

9.3 Andere Autor*innen suchen

Wie gesagt, scheinen gerade Bibliothekar*innen oft der Meinung zu sein, selber wenig Interessantes berichten zu können. Aber auch Studierende sind – selbst dann, wenn sie gute oder sehr gute Abschlussarbeiten vorlegen – oft der Meinung, dem Bibliothekswesen wenig Relevantes zu vermitteln zu haben. Teilweise bedarf es anderer Bibliothekar*innen, die sie darauf hinweisen, dass sie ein interessantes Thema, ein relevantes Projekt oder spannende Fragen haben.

Insbesondere, wenn Zeitschriften einen Call for Papers veröffentlichen (also nach thematisch passenden Beiträgen fragen), kann es hilfreich sein, andere Kolleg*innen aus dem eigenen Arbeitsbereich explizit dazu zu ermuntern, einen Beitrag einzureichen. Oft helfen solche Aufforderungen von direkten Kolleg*innen potenziellen Autor*innen, überhaupt zu sehen, dass sie z. B. ein Projekt betreuen, welches auch für andere Bibliotheken relevant sein kann.

9.4 Selber eine Zeitschrift machen

Das Feld der bibliothekarischen Zeitschriften ist beweglich. Obgleich es eine Anzahl von Zeitschriften gibt, die schon seit Jahrzehnten existieren, gibt es immer die Möglichkeit, eigene Zeitschriften zu gründen. Auch das wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach gemacht, einige Male (z. B. die „LIBREAS. Library Ideas”, die „027.7”, die „o-bib” oder das „API Magazin”) mit anhaltendem Erfolg. Und auch, wenn andere Zeitschriften (z. B. die „Informationspraxis” oder die „Perspektive Bibliothek”) ihr Erscheinen wieder einstellten, waren sie doch jeweils für einige Jahre Publikationsplattformen im Bibliothekswesen.

Sicherlich wäre es heute schwierig, eine neue gedruckte Zeitschrift zu etablieren, da die Kosten dafür steigen. Aber elektronische Zeitschriften sind immer einfacher möglich, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war.6 Eine ganze Anzahl von Hochschulbibliotheken bietet explizite Unterstützung für das Führen elektronischer Zeitschriften an. Nach Absprache kann man eventuell auf diese Services auch für bibliothekarische Fachzeitschriften zurückgreifen (dies geschah z. B. im Fall der „Informationspraxis”). Aber auch ohne diese Services ist es heute technisch relativ einfach möglich, z. B. einen eigenen OJS-Server aufzusetzen und eine Zeitschrift zu betreiben. (Zu bedenken ist dann eine langfristige Sicherung dieser Zeitschrift, beispielsweise über einen eigenen Verein, sowie eine digitale Ablieferung bei der Nationalbibliothek, die für das Land, in der die Zeitschrift dann erscheint, zuständig ist.)

Eine eigene Zeitschrift zu gründen lohnt sich vor allem, wenn sie eine Gruppe von Bibliothekar*innen oder Studierenden findet, die sich in der jetzigen Landschaft der bibliothekarischen Fachpublikationen nicht widergespiegelt sieht.

Literatur

SCHULDT, Karsten, 2023. Veränderungen im bibliothekarischen Zeitschriftenwesen des DACH-Raumes: Eine Auswertung von Daten zu den Jahren 2001, 2011 und 2021. In: Bibliothek Forschung und Praxis [online]. 47(1), S. 156–169. De Gruyter Brill. ISSN 0341-4183. Verfügbar unter: DOI: 10.1515/bfp-2022-0082

SCHULDT, Karsten, 2022. Die nationalen Bibliothekswesen sind stark auf sich selbst bezogen: Eine Auswertung der bibliothekarischen Zeitschriften im DACH-Raum mit Bezug auf internationale Themen. In: LIBREAS. Library Ideas [online]. 42(2). edoc-Server. ISSN 1860-7950. Verfügbar unter: DOI: 10.18452/25694


  1. DACH steht für die internationalen Autokennzeichen für Deutschland, Österreich, Schweiz, obgleich selbstverständlich auch Liechtenstein zu diesem Raum gehört und Kolleg*innen aus anderen Ländern, in denen Deutsch als Regionalsprache gesprochen wird (Südtirol/Italien, Luxemburg, die deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien u. a.) in der bibliothekarischen Literatur, die in diesem Text Thema ist, manchmal auch publizieren.↩︎

  2. Ich weiß, dass ich selber kein gutes Beispiel bin, da ich selber recht viel publiziere und dann auch vor allem lange Beiträge, oft mit wissenschaftlichem Anspruch. Aber das ergibt sich aus meinem Beruf: Ich bin an einer Fachhochschule angestellt und habe damit den Auftrag, zu forschen und wissenschaftlich zu publizieren. Mir ist aber auch immer klar, dass ich nur einen übergreifenden, oft historisch untermauerten Blick auf das Bibliothekswesen habe und beispielsweise keinen „direkt aus der Praxis”.↩︎

  3. Mehr als einmal haben mir insbesondere Kolleg*innen in Wissenschaftlichen Bibliotheken gesagt, dass sie gerade in die Bibliothek gegangen sind, um nahe bei der Forschung sein zu können, ohne Texte schreiben zu müssen.↩︎

  4. Gerade Studierende scheinen manchmal zu denken, es wäre für ihre weitere Karriere wichtig, zu zeigen, dass sie selber innovative Projekte planen und durchführen können. Sicherlich ist dies für viele auch subjektiv relevant. Aber meiner Erfahrung nach ist es für Bibliotheken bei der Stellenbesetzung vor allem wichtig, dass das zukünftige Personal praktisch Projekte umsetzen kann, aber nicht, dass diese Projekte immer neuartig sind. Oft geht es im Bibliotheksalltag wirklich darum, dass eine Veranstaltung durchgeführt oder ein Repository aufgebaut wird, nicht darum, ob andere Bibliotheken auch solche Veranstaltungen oder Repositorys haben oder nicht.↩︎

  5. Insbesondere aus der DDR gibt es erstaunlich viele dieser Berichte (insbesondere in der Rubrik „für den nebenamtlichen Bibliothekar” in der Zeitschrift „Der Bibliothekar”), die uns – gegen den Strich gelesen, da sie immer politisch „auf die richtige Linie” hin geschrieben waren, obgleich fast immer sehr wertschätzend gegenüber der Arbeit der betreffenden Bibliothek – noch heute viel über die Arbeit der Bibliotheken ganz kleiner Gemeinden informieren.↩︎

  6. In anderen Ländern scheint es auch eine Szene von „bibliothekarischen Fanzines” zu geben, also relativ einfach produzierten, oft in Copyshops vervielfältigten Heften, die oft für recht subjektiv gefärbte Veröffentlichungen genutzt werden (vgl. z. B. The Memeing Librarian, https://buymeacoffee.com/thememeinglib/extras). Im DACH-Raum gibt es zwar eine ganze Anzahl von Subkulturen, in denen solche Fanzines verbreitet sind, aber offenbar (der Status von Fanzines als „Underground”-Publikation macht es immer schwierig, definitive Aussagen zu treffen) keine im Bibliotheksbereich. Möglich wäre dies aber auch.↩︎

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2025-05-07

Akzeptiert

2025-05-20

Veröffentlicht

2025-07-15