Zwischen historischen Sammlungen und Öffentlichkeitsarbeit
Ein vielseitiges Praxissemester bei der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
DOI:
https://doi.org/10.15460/apimagazin.2025.6.2.243Schlagworte:
Praktikum, Studium, Wissenschaftliche Bibliothek, ÖffentlichkeitsarbeitBegutachtung
Abstract
Im Wintersemester 2023/2024 fand ein sechsmonatiges Pflichtpraktikum in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky statt, mit dem Schwerpunkt auf der Öffentlichkeitsarbeit. Dabei umfasste der Arbeitsalltag Einsätze in verschiedenen Abteilungen – von der Akquisition und den Digitalen Diensten bis hin zur Veranstaltungsorganisation. Besondere Highlights waren die Betreuung von Veranstaltungen, Ausstellungen und die Mitgestaltung einer Blogreihe zur Nachlasssammlung. Das Praktikum bot wertvolle Einblicke in die vielfältigen Tätigkeitsbereiche einer wissenschaftlichen Bibliothek und hinterließ bleibende positive Eindrücke.
1 Die Praktikumsbibliothek
Im Wintersemester 2023/2024, dem 3. Semester meines Studiums, absolvierte ich mein sechsmonatiges Pflichtpraktikum in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (SUB). Während dieser Zeit lernte ich die verschiedenen Abteilungen und Arbeiten in einer wissenschaftlichen Bibliothek kennen, die zudem die Aufgaben einer Landes- und Archivbibliothek übernimmt und die zentrale Bibliothek der Universität Hamburg sowie der anderen Hochschulen der Stadt ist (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2024). Überdies hat sie sämtliche Wissenschaftsfächer als Sammelgebiet, stellt zusammen mit der ULB Bonn den Forschungsinformationsdienst (FID) Romanistik und hat die Linga-Bibliothek für Lateinamerikaforschung übernommen (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2025a). Sie verwahrt einen Bestand von über 5,3 Millionen Medien (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2025b), darunter mehr als 850.000 elektronische Medien und hat etliche laufende Zeitschriften im Abonnement, darunter 5.800 Print und 69.000 E-Zeitschriften (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2025a).
Seit ich im Jahr zuvor in der SUB Bremen gewesen war, die mich sehr beeindruckt hatte, entwickelte ich eine Neugier auf wissenschaftliche Bibliotheken, zumal ich öffentliche Bibliotheken aus eigener Nutzung kannte, wissenschaftliche jedoch nicht. Darum wollte ich das Praxissemester dazu nutzen, einen umfassenden Einblick in eine große wissenschaftliche Bibliothek zu bekommen. Eine Bewerbung und ein Zoom-Gespräch später stand es dann auch schon fest.
2 Ablauf des Praktikums
Während meines Praktikums war mein Arbeitstag fast immer zweigeteilt: vormittags durchlief ich die unterschiedlichen Abteilungen, nachmittags war ich dann bei meiner Schwerpunkt-Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Diese Aufteilung gewährleistete eine angenehme Abwechslung – vor allem, da es bei der Vielzahl der unterschiedlichen Tätigkeiten in einer Bibliothek dieser Größe zuweilen schwierig war, neben den Erklärungen auch Zeit für selbstständige Arbeit zu finden. Dafür lernte ich eine Vielzahl von Aufgaben kennen und bekam einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Hauptabteilungen.
Begonnen habe ich in der Akquisition, um mich wieder ins Katalogisieren einzufinden und die Abteilungen für Pflicht- und Geschenkzugänge kennenzulernen, da die SUB Hamburg oft Spenden erhält und als Hamburgs Landesbibliothek auch einen Sammelauftrag im Rahmen des Gesetzes zur Ablieferung von Pflichtexemplaren hat (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2025c). Außerdem lernte ich unterschiedliche Digitalisierungsprojekte, die Zeitschriftenbearbeitung, die Buchbinderei sowie die Einbandstelle kennen.
Weiter ging es in der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste mit der Hamburg-Sammlung und der Hamburg-Bibliografie. In der Sacherschließung lernte ich die Vergabe von Schlagworten mittels Klassifikationen und die Verknüpfung dieser kennen. Bei den historischen Beständen in den Sondersammlungen wurde mir die Katalogisierung von alten Drucken sowie die Erfassung von Provenienzen nähergebracht. Anschließend war ich in der Benutzung im Lesesaal, im Ausleihzentrum und bei der bibliothekarischen Auskunft eingesetzt; ich bekam Einblick in die Magazine sowie in die Speicherbibliothek in Bergedorf. Bei der Dokumentlieferung lernte ich die Fernleihe, den Direktlieferdienst subito und den Campuslieferdienst kennen. Als Letztes erhielt ich Einblicke in die Digitalen Dienste, darunter die Medienwerkstatt, die Betreuung der Discoverysysteme und Repositorien sowie die Publikationsdienste wie die Hamburg University Press, die auch dieses Magazin hostet.
Direkt am dritten Tag meines Praktikums stand auch der Betriebsausflug an. Um meine Kolleg*innen besser kennenzulernen, hatte ich mich bereits im Voraus dafür angemeldet. Wir sind gemeinsam mit dem Zug nach Eutin gefahren und haben zunächst einen Spaziergang durch den Schlosspark unternommen, dann gemeinsam Mittag gegessen und konnten im Anschluss zwischen unterschiedlichen Aktivitäten wählen. Ich entschied mich für eine Führung durch das Barockschloss. Meine Fahrt-, Essens- und Eintrittskosten wurden dabei von der Bibliothek übernommen.
3 Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit
Die meiste Zeit verbrachte ich bei meiner Schwerpunkt-Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Zu den Aufgabenfeldern in der Öffentlichkeitsarbeit gehören vor allem Pressearbeit, Kommunikationsgestaltung, Eventmanagement und Interne Kommunikation. Pressemitteilungen müssen geschrieben und verbreitet sowie Presseanfragen bearbeitet werden. Jahresberichte, Broschüren und Flyer müssen erstellt werden und Konferenzen, Veranstaltungen und Ausstellungen müssen geplant und durchgeführt werden. Dazu gehören auch die Intranetbetreuung und die Planung und Durchführung von Veranstaltungen für Mitarbeitende (Franck und Schade 2015). Öffentlichkeitsarbeit ist für Bibliotheken eine der wichtigsten Kommunikationsformen, da auf diese Weise die Präsenz der Bibliothek in der Öffentlichkeit erhöht wird und die Bibliothek in den aktiven Austausch mit ihren Nutzenden tritt. Die Bibliotheksnutzer*innen sollen sachgerecht mit Informationen versorgt und für Hintergründe und Zusammenhänge sensibilisiert werden, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können und dabei idealerweise noch unterhalten werden (Georgy und Schade 2024).
Ich hatte in der Öffentlichkeitsarbeit überwiegend mit Veranstaltungen und Ausstellungen zu tun: Ich bereitete sie vor und nach, erledigte Botengänge und half beim Ausschank bei Ausstellungseröffnungen. Eine meiner ersten Ausstellungen war „Meisterhafte Unikate – 100 Jahre Einbandkunst“ von Oktober bis Dezember 2023; eine Wanderausstellung, die in der SUB zum letzten Mal dem Publikum präsentiert wurde. Zu der Ausstellung gehörten neben zeitgenössischen Bucheinbänden auch eine Vielfalt von aktuellen, handgefertigten Buntpapieren und aus dem Bestand der SUB diverse Einbände von Franz Weisse und Ignatz Wiemeler, die beide maßgeblichen Einfluss auf die Buchbindekunst des 20. Jahrhunderts hatten (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2023, S. 1). Ich half beim Auspacken der Ausstellungsmaterialien, begleitete die Vernissage und weitere Rahmenveranstaltungen wie Führungen sowohl für Besucher*innen als auch für Mitarbeitende.
Einige kleinere Veranstaltungen durfte ich auch allein betreuen, d. h. die Veranstalter*innen empfangen und in die Technik des Vortragsraums einführen. Für die Weihnachtsfeier für alle Mitarbeitenden der SUB galt es, einen Weihnachtsbaum zu besorgen und zu schmücken und eine kleine Aktivität vorzubereiten. Ein paar der größeren Veranstaltungen, bei denen ich mitwirken durfte, waren u. a. die Verleihung des Buchpreises HamburgLesen 2023. Seit 2012 verleiht die Staats- und Universitätsbibliothek den Preis an ein Buch der jeweiligen Jahresproduktion, das sich in herausragender Weise mit dem Thema Hamburg befasst. Der mit 5.000 € dotierte Buchpreis steht überdies unter der Schirmherrschaft der Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, Katharina Fegebank (Trapp 2023). Für die feierliche Preisverleihung im Lichthof der SUB mussten die Bücher der Shortlist ausgestellt, Blumenschmuck besorgt und aufgestellt sowie die Preistrophäe abgeholt werden.
Darüber hinaus habe ich Inventuren von Ausstellungsmaterialien gemacht, diverse Mail- und postalische Verteiler zusammengestellt und überarbeitet, Dateilisten und Nextranet-Seiten der Öffentlichkeitsarbeit gepflegt und diverse Recherchen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch die Ideensammlung und Mitkonzeption des neuen Newsletters. Daraus entstand eine Artikelreihe auf dem Stabi-Blog zu unterschiedlichen Jubiläen der Nachlasssammlung der SUB. Neben der bereits bestehenden Rubrik „Schätze der Stabi“ oder den regelmäßigen Posts zu Entdeckungen im HaKiN-Projekt (Hamburger Kulturgut im Netz) hielt ich es für eine gute Idee, mich auch einmal inhaltlich mit der Nachlasssammlung zu beschäftigen. Denn zu den historischen Beständen der SUB gehören über 400 Nachlässe und ca. 68.000 Autografen Persönlichkeiten aus hauptsächlich dem 17. Jahrhundert bis heute, deren Lebens- und Wirkensmittelpunkt der Hamburger Raum war. Dazu gehören literarische Nachlässe ebenso wie künstlerische, wissenschaftliche und Musiknachlässe sowie Autografen- und Briefsammlungen (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 2025d).
Ich recherchierte, welche Geburts- oder Sterbedaten von Personen, deren Nachlässe die SUB verwahrt, sich in den kommenden Monaten zum 100., 125. oder 200. Mal jähren würden. So entdeckten wir interessante Namen und Nachlässe wieder, etwa den von Svend Fleuron, einem heute weitgehend in Vergessenheit geratenen dänischen Tierschriftsteller, der etliche autobiografische Konvolute hinterlassen hat (Schroers 2024a). Oder auch Hermann Tiemann, einen langjährigen Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek, der die fast vollständig zerstörte Bibliothek nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbaute und zudem die Werkausgabe des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock begründete, dessen 300. Geburtstag Anlass zu einer eigenen Ausstellung und einem Begleitprogramm in der SUB war (Schroers 2024b).
Abb. 1: Autobiografische Konvolute von Svend Fleuron (Quelle: Schroers 2024b)
Abb. 2: Tierzeichnungen aus den autobiografischen Konvoluten Svend Fleurons (Quelle: Schroers 2024b)
4 Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Praktikum in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky meine Erwartungen weit übertroffen hat, zumal ich aufgrund eher gemischter Praktikumserfahrungen aus der Schulzeit mit einigen Bedenken ins Praxissemester ging. Diese konnte mir die SUB jedoch sehr schnell nehmen. Neben Einsichten in die verschiedensten Tätigkeitsfelder einer wissenschaftlichen Bibliothek, die sowohl Universitäts- als auch Landesbibliothek ist, habe ich eine breite Kenntnis der Services erlangt, die die Stabi anbietet – und darüber hinaus viele freundliche und zuvorkommende Menschen kennengelernt.
Literatur
FRANCK, Milena und SCHADE, Frauke, 2015. Öffentlichkeitsarbeit [online]. Berlin: Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv), 09.04.2015 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://bibliotheksportal.de/ressourcen/kommunikation/oeffentlichkeitsarbeit
GEORGY, Ursula und SCHADE, Frauke, 2024. Öffentlichkeitsarbeit mit Medienarbeit [online]. Berlin: Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv), 21.05.2024 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://bibliotheksportal.de/ressourcen/management/toolbox-werkzeuge-fuer-starke-kommunikation/kommunikationinstumente/oeffentlichkeitsarbeit-mit-medienarbeit
SCHROERS, Melisande, 2024a. Zum 150. Geburtstag von Svend Fleuron [online]. Der Tierschriftsteller. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 05.01.2024 [Zugriff am: 20.11.2024]. Verfügbar unter: https://blog.sub.uni-hamburg.de/?p=37330
SCHROERS, Melisande, 2024b. Zum 125. Geburtstag Hermann Tiemanns [online]**. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 09.07.2024 [Zugriff am: 20.11.2024]. Verfügbar unter: https://blog.sub.uni-hamburg.de/?p=38431
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2025a. Über Uns [online]. Kurzübersicht. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 24.03.2020 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/ueber-uns/kurzuebersicht.html
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2025b. Über Uns [online]. Geschichte. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 24.03.2020 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/ueber-uns/geschichte.html
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2025c. Pflichtexemplare von Hamburger Publikationen [online]. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 22.03.2024 [Zugriff am: 27.02.2025]. Verfügbar unter: https://www.sub.uni-hamburg.de/hamburg/pflichtexemplare.html
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2025d. Nachlass- und Autographensammlung [online]. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 17.07.2023 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.sub.uni-hamburg.de/sammlungen/nachlass-und-autographensammlung.html
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2024. Über Uns [online]. Porträt, Geschichte, Publikationen, Organigramm, Wegbeschreibung, Nutzungsordnung. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 12.12.2022 [Zugriff am: 20.11.2024]. Verfügbar unter: https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/ueber-uns.html
STAATS- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK HAMBURG – CARL VON OSSIETZKY, 2023. Ausstellungen & Veranstaltungen: Oktober 2023. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky
TRAPP, Markus, 2023. Shortlist HamburgLesen 2023 [online]. Hamburg: Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky Hamburg, 25.07.2023 [Zugriff am: 22.03.2025]. Verfügbar unter: https://blog.sub.uni-hamburg.de/?p=36278
Erhalten
Akzeptiert
Veröffentlicht
Ausgabe
Rubrik
Lizenzinformation
Copyright (c) 2025 Melisande Schroers

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.

