Leben in der Datengesellschaft
Eine Buchrezension zu „Speichern und Strafen: Die Gesellschaft im Datengefängnis“ von Adrian Lobe
DOI:
https://doi.org/10.15460/apimagazin.2025.6.1.214Schlagworte:
Datenspeicherung, Überwachung, Digitale Kontrolle, DatenethikBegutachtung
Abstract
Das Sachbuch „Speichern und Strafen: Die Gesellschaft im Datengefängnis“ von Adrian Lobe untersucht die weitreichenden Auswirkungen der Datenspeicherung und Überwachung der postmodernen Gesellschaft. Lobe analysiert, wie persönliche Daten zu einer Handelsware geworden sind und wie Regierungen und Unternehmen diese Informationen zur Kontrolle nutzen. Dabei stellt er ethische und politische Fragen, die eine kritische Reflexion über die Zukunft der Datengesellschaft anregen.
Das Buch „Speichern und Strafen: Die Gesellschaft im Datengefängnis” von Adrian Lobe beleuchtet die Welt der Datenüberwachung und -kontrolle, die zunehmend unsere Gesellschaft prägt. Mit einem fesselnden Blick auf die weitreichenden Auswirkungen von Datenspeicherung nimmt uns Lobe mit auf eine Reise durch die düsteren Abgründe und die subtilen Feinheiten dieser digitalen Realität. „Speichern und Strafen” wirft brisante Fragen über eine Zeit auf, in der persönliche Daten zur Handelsware geworden sind. Daher regt das Buch zu einer kritischen Reflexion über die Zukunft unserer Gesellschaft an.
Adrian Lobe erkundet in seinem Buch die weitreichenden Auswirkungen der Datenspeicherung auf die moderne Gesellschaft. Er zeigt auf, wie persönliche Daten zunehmend zu einem wertvollen Handelsgut werden und wie Unternehmen und Regierungen diese Informationen nutzen, um Verhalten zu überwachen, zu kontrollieren und zu beeinflussen. Lobe beleuchtet die dunklen Seiten dieser Entwicklung, indem er aufzeigt, wie Datenschutzverletzungen, Überwachung und Manipulation das individuelle und gesellschaftliche Leben beeinflussen. Dabei stellt er die Frage nach den ethischen und politischen Konsequenzen dieser Praktiken und regt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Zukunft der Datengesellschaft an. Mit fundierten Analysen und anschaulichen Beispielen zeigt „Speichern und Strafen” auf, wie die Digitalisierung unsere Welt prägt und welche Herausforderungen damit einhergehen.
Lobes Schreibstil ist in erster Linie sachlich und analytisch. Er führt komplexe Themen und Informationen auf eine klar strukturierte und gut verständliche Weise an. Sein Stil ist präzise und zielt darauf ab, komplexe Konzepte verständlich zu machen, ohne dabei an Tiefe oder Substanz zu verlieren. Obwohl Lobe in erster Linie sehr sachlich schreibt, zeigt er Sensibilität für die menschlichen Auswirkungen der technologischen Entwicklungen, die er untersucht. Diese Sensibilität verleiht seinem Schreibstil eine gewisse Nuance und macht es Leser*innen leichter, sich mit den Themen zu identifizieren und sie persönlich zu reflektieren. Dem Autor gelingt es wirkungsvoll, komplexe Ideen zugänglich zu machen und gleichzeitig Raum für tiefgründige Reflexionen über die Themen des Buches zu schaffen. Zusätzlich merkt man während des Lesens auch, dass er in den meisten Fällen ein kritisches Auge auf die angeführten Sachverhalte hat.
In „Speichern und Strafen” werden Themen wie Datenschutz, Überwachung, digitale Manipulation und Beeinflussung, Daten-Ethik, Politik der Datennutzung, sowie die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft behandelt. In Bezug auf den Datenschutz untersucht der Autor die zunehmende Sammlung (Big Data) und Analyse persönlicher Daten durch Unternehmen und Regierungen und diskutiert die Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte. Das Buch zeigt zusätzlich die Methoden und Techniken auf, durch die Daten genutzt werden, um das Verhalten von Menschen zu lenken, sei es durch personalisierte Werbung, Filterblasen in sozialen Medien oder algorithmische Entscheidungen. Daraus resultieren Fragen bezüglich der ethischen und politischen Konsequenzen, die sich durch die zunehmende Datensammlung und -speicherung ergeben. Lobe fordert eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Werten und Prinzipien. Er beleuchtet die Veränderungen im sozialen Gefüge, die die Digitalisierung bewirkt, angefangen bei der Art und Weise, wie wir kommunizieren und Beziehungen eingehen, bis hin zu Fragen der Machtverteilung und demokratischen Teilhabe.
Im Buch fallen einige bemerkenswerte sprachliche Merkmale auf. Lobe nutzt eine präzise und klare Sprache, um komplexe Themen verständlich zu vermitteln, ohne unnötige Fachbegriffe zu verwenden. Er untermauert seine Argumente mit konkreten Beispielen aus der realen Welt, was abstrakte Konzepte greifbar macht:
Facebook ist mit über zwei Milliarden Nutzern faktisch eine Statistikbehörde, die diverse soziodemografische Variablen wie Geschlecht, Alter, Religion und Beruf registriert und mittels Status-Updates («Was machst du gerade?») als erzählerisches Moment bemäntelte Repräsentativbefragungen durchführt. (Lobe 2019, S. 20)
Durch den Einsatz von rhetorischen Fragen und geschickt platzierten Überleitungen regt Lobe die Leser*innen zum Nachdenken an und strukturiert dadurch seine Argumentation:
Was ist mit Menschen, deren Gesicht aufgrund einer Krankheit oder Kriegsverletzung entstellt ist? Sehbehinderten, bei denen kein Iris-Scan durchgeführt werden kann? Menschen, die bei einem Arbeitsunfall ihre Finger verloren haben? Würde man diesen Menschen die Einreise verweigern, weil sie nicht maschinenlesbar sind? Ist diese Person aufgrund ihrer biometrischen «Unleserlichkeit» dann staatenlos? (Lobe 2019, S. 109)
Insgesamt ist der Ton des Buches sachlich und nüchtern, was zu einer
fundierten Analyse der Fakten und Zusammenhänge führt.
„Speichern und Strafen” zeichnet sich durch eine gewisse Originalität
aus. Obwohl das Thema der Datenspeicherung und -nutzung in der modernen
Gesellschaft bereits altbekannt ist, bietet Adrian Lobes Buch eine
eigene Perspektive und einen differenzierten Blick auf die Problematik.
Lobe geht über die bloße Darstellung bekannter Klischees hinaus, indem
er tiefgreifende Analysen präsentiert und komplexe Zusammenhänge
aufzeigt. Er stellt nicht nur die offensichtlichen Risiken und
Herausforderungen der Datennutzung dar, sondern wirft auch Fragen nach
den ethischen und politischen Konsequenzen auf. Dabei bietet er
innovative Ansätze und Lösungsvorschläge für die mit der Digitalisierung
verbundenen Probleme.
Darüber hinaus integriert Lobe aktuelle Entwicklungen und Fallbeispiele in seine Argumentation, was dem Buch eine zeitgemäße und relevante Note verleiht:
Was passiert, wenn informatische Machttechnologien mit autoritären Politiksystemen verschaltet werden, zeigt sich in China. Das Regime wird 2020 ein Sozialkreditsystem einführen, das Bürgern Zensuren ausstellt. Gute Taten werden belohnt, Missetaten bestraft. (Lobe 2019, S. 56)
Insgesamt lässt sich sagen, dass „Speichern und Strafen” trotz eines bekannten Themas durch seine originelle Herangehensweise und seine differenzierten Analysen hervorsticht.
Das Buch hat mich sehr beeindruckt, denn es vereint auf geniale Weise zeitgenössische Ereignisse mit einem historischen Überblick, der durch Foucaults Thesen, dessen Werk „Überwachen und Strafen” mir bereits bekannt war, gestützt wird:
Foucault hat in «Überwachen und Strafen» ausgeführt, wie mit dem Panoptikon – jener ringförmigen Anlage, in deren Mitte ein Aufseher in einem Turm Einblick in die geöffneten Zellen hat – eine Überwachungsmaschinerie entsteht, welche die «Macht automatisiert und individualisiert».[…] Man muss Menschen nicht mehr wie im Mittelalter in Kerker und dunkle Verliese stecken. Sie inhaftieren sich selbst. Sie legen sich freiwillig elektronische Fußfesseln wie Smartphones oder Fitnesstracker an und unterwerfen sich einem elektronischen Hausarrest namens Smart Home. (Lobe 2019, S. 27 f.)
Des Weiteren zeichnet sich der Text durch einen wissenschaftlichen Stil aus, der von einer Vielzahl an Fachtermini geprägt ist. Diese sprachliche Präzision verstärkt die Argumentation und verleiht dem gesamten Werk eine eindrückliche Tiefe.
Gerade diese Unmerklichkeit der Kontrollen, das kafkaeske Nicht-Zeigen-Wollen polizeilicher Gewalt, die totale Immaterialisierung von Macht machen die eigentliche Bedrohung aus. (Lobe 2019, S. 28)
In seiner Gesamtheit wirkt „Speichern und Strafen” wie ein Weckruf, der uns die vielschichtigen Dimensionen der zeitgenössischen Gesellschaft und des digitalen Umbruchs vor Augen führt. Das Buch untersucht auf vielfältige Weise die oft problematische Handhabung von Daten jeglicher Art und bietet eine solide Grundlage für anregende und facettenreiche Diskussionen.
Literatur
LOBE, Adrian, 2019. Speichern und Strafen: Die Gesellschaft im Datengefängnis. München: C.H. Beck. ISBN 978-3-406-74179-1
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