Selbstoptimierung to go

Eine qualitative Analyse der Nutzungsmotive für Ratgeber-Podcasts

  • Susanne Brand Content Marketing Managerin in Videoagentur, Hamburg

DOI:

https://doi.org/10.15460/kommges.2020.21.2.628

Schlagworte:

Ratgeber, Alltag, Mediennutzung, Bedürfnistheorie, Gesellschaftswandel

Redaktion und Begutachtung

  • Nele Heise ORCID logo Digital Media & Communication Researcher Hamburg
  • Nils Zurawski ORCID logo Universität Hamburg

Abstract

Dieser Artikel befasst sich mit einer bislang kaum erforschten Sparte innerhalb des Podcast-Mediums: den Ratgeber-Podcasts. Dafür nähert sich der Text zunächst dem Begriff ‚Ratgeber‘ bzw. ‚Beratung‘ an, indem er auf Erkenntnisse aus der Medien- und Sozialforschung und dort verwendete Definitionen zurückgreift. Im Anschluss werden die Besonderheiten von Ratgeber-Podcasts untersucht. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Nutzungsspezifika, also besonderen Nutzungsmotiven und -gewohnheiten der Hörer:innen. Im Rahmen einer qualitativen Befragung wurden dafür Aussagen mehrerer Podcast-Nutzer:innen ausgewertet und analysiert. Die Erkenntnisse der Untersuchung werden im Ergebnisteil zusammengetragen und vor dem Hintergrund bestehender Forschung gedeutet.

1 Beratung als Medientrend

„Es hat früher einmal eine Gesellschaft gegeben, die es nicht als unverantwortbar betrachtet hat, wenn Frauen ihre Kleinkinder auf hergebrachte Weise ernähren, ohne zuvor einen Stillkurs, einen Schwangerschaftsarbeitskreis, eine Mütter-Selbsthilfegruppe und ein paar andere Workshops dieser Art besucht zu haben. [...] Es war die primitive Zeit, als die Menschen glaubten, man könne einfach so vor sich hinlaufen, ohne Schulung durch Jogging-Experten und Sportschuhcomputeranalytiker, und man hat das Familiengrab ohne Friedhofspflanzexperten versorgt.“ (Prisching 2006: 115)

Selbstoptimierung ist – wie das obenstehende Zitat andeutet – einer der am stärksten diskutierten Gesellschaftstrends unserer Zeit (vgl. Fenner 2019). 806 Buchtitel finden sich allein auf Amazon zum Stichwort ‚Selbstoptimierung’. Rund 400.000 Treffer erzielt eine aktuelle Suchanfrage auf Google (Stand: September 2020). Hintergrund dieser Entwicklung sind laut Einschätzung verschiedener Soziolog:innen die „Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse in modernen Gesellschaften“ (Bamler 2013: 80), die zu einer wachsenden Vielfalt praktizierbarer Arbeits- und Lebensmodelle geführt haben. Dadurch würden bei vielen Menschen Identitätsprobleme und Verunsicherungen hervorgerufen (vgl. Prisching 2006: 113; Bamler 2013: 81). Es entsteht der Wunsch nach Orientierung und Beratung – ein Phänomen, das Prisching als Suche nach dem ‚Rezept für das Leben’ bezeichnet (vgl. Prisching 2006: 115ff.). Dies spiegelt sich u.a. in den Absatzzahlen des deutschen Buchmarktes wider: Mit über 14 Prozent sind Ratgeber die drittgrößte Verkaufssparte hinter Belletristik sowie Kinder- und Jugendbüchern (vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels 2020). Wie vielfältig Ratgeber-Themen sind, verdeutlicht erneut der Blick auf Amazon. Hier unterteilt sich die Sparte ‚Ratgeber’ in neun Unterthemen: Lebensführung, Psychologie, Gesundheit, Ernährung, Partnerschaft, Familie, Recht, Kommunikation und Einkaufsführer. Auch im Internet sind Angebot und Vielfalt von Ratgeber-Formaten gestiegen (vgl. Heller et al. 2018: 8ff.). Digitale Beratung in Form von Webinaren, E-Books und E-Coachings rückt daher immer mehr auf die Agenda psychosozialer Arbeitspraxis und Forschung. Ein Medium, dem dabei bislang jedoch nur wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde, ist Podcasting. Eine empirische Untersuchung von Ratgeber-Podcasts ist sowohl aus medienwissenschaftlicher als auch soziologischer Perspektive interessant, da hier zwei parallele Strömungen – die popkulturelle Entwicklung des Podcast-Mediums und ein soziokultureller Ratgeber-Zeitgeist – aufeinandertreffen. Grundlage des vorliegenden Beitrags ist eine qualitative Interviewstudie, in deren Fokus die Motive und Einstellungen der Hörer:innen von Ratgeber-Podcasts standen (s. Abschnitte 3 und 4). Die hier vorgestellten Ergebnisse (s. Abschnitt 5) stellen eine erste Annäherung an die Nutzung und Bedeutung dieses bislang kaum erforschten Podcasts-Genres dar. Im Folgenden soll zunächst eingrenzt werden, wie das Genre der Ratgeber-Podcasts definiert werden kann.

2 Was ist ein Ratgeber-Podcast?

Der Ausdruck ‚Ratgeber’ ist per se schwierig zu definieren. Im Journalismus wird u.a. zwischen informativem, Verbraucher- und Ratgeberjournalismus unterschieden. Ratgeberjournalismus kennzeichnet sich dadurch, dass er sich auf ein spezielles Themengebiet fokussiert und den Rezipient:innen konkrete Lösungsvorschläge anbietet, während in den anderen beiden Darstellungsformen lediglich Informationen bereitgestellt werden (vgl. Gröschl 2013: 9). Digitaler Beratung, wie sie in einem Podcast erfolgen kann, wird oft vorgeworfen, die zwischenmenschliche Komponente zu vernachlässigen, weil sie keinen persönlichen Kontakt zum Ratsuchenden herstelle. ‚Richtige Beratung’, so einige Wissenschaftler:innen, könne nur von Angesicht zu Angesicht stattfinden (vgl. Engelhardt/Storch 2013: 3). Dagegen lässt sich argumentieren, dass eine persönliche Beratung häufig mit Hemmschwellen wie Angst, Scham oder auch finanziellen Hürden einhergeht, die bei medialer Beratung wegfallen (vgl. Hömberg/Neuberger 2013: 14). Ein Podcast kann, genau wie Ratgeber-Lektüre, eine erste Anlaufstelle zur Problemlösung sein. Ob diese Form der Beratung ‚richtig’ bzw. konstruktiv ist, kann letztlich nur der oder die Ratsuchende selbst entscheiden.

Betrachtet man Beratung als offenes Konzept, ergeben sich hieraus unzählige Themenfelder, z.B. Psychologie, Beruf, Finanzen, Familie, Gesundheit oder auch alltägliche Belange wie die Haushaltsführung, Sport und Freizeitaktivitäten. Beratung ist also ein „Container-Begriff, der für alles und jedes verwendet wird“ (Wälte/Lübeck 2018: 25). Vor dem Hintergrund theoretischer Erwägungen waren im Rahmen der vorliegenden Untersuchung1 vor allem folgende Merkmale zur Eingrenzung von Ratgeber-Podcasts relevant:

Um den relativen Anteil von Ratgeber-Formaten innerhalb des Podcast-Mediums zu veranschaulichen, wurden in der vorliegenden Untersuchung über drei Monate (Mai bis Juli 2019) die beliebtesten Podcasts auf iTunes, Spotify und podcast.de dokumentiert. Als Grundlage dienten die ersten 100 Titel, die von den Plattformen in der Kategorie ‚beliebteste Titel’ ausgespielt wurden.2 Von insgesamt 900 Titeln konnten 150 der Kategorie Ratgeber zugeordnet werden, wobei die Kategorisierung anhand der vier oben genannten inhaltlichen Kriterien erfolgte. Der relative Anteil von Ratgeber-Podcasts belief sich demzufolge auf knapp 17 Prozent (was leicht über dem Umsatzanteil von Ratgebern auf dem Buchmarkt – rund 14 Prozent im Jahr 2019 – liegen würde; vgl. Börsenverein des deutschen Buchhandels 2020). Betrachtet man nur die Rankings auf iTunes, erhöht sich dieser Anteil sogar auf knapp 30 Prozent. Dies legt nahe, dass Ratgeber ein besonders beliebtes Genre innerhalb des Podcast-Mediums darstellen, dem sich aktuell viele Nutzer:innen zuwenden. Typische Themen von Ratgeber-Podcasts sind Motivationspsychologie, Nachhaltigkeit (z.B. a mindful mess3 von Madeleine ‚DariaDaria’ Alizadeh), Lebenshilfe (z.B. Allo Leute4 von Nura Habib Omer), Karriere, Finanzen (z.B. Aktien mit Kopf – Investieren für Privatanleger5 von Kolja Barghoorn), Ernährung, Gesundheit, Persönlichkeitsentwicklung (z.B. Bewusst leben6 von Alexander Freise und Frederick Vetter), Familie und Erziehung (z.B. Das gewünschteste Wunschkind7 von Danielle Graf und Katja Seide).

3 Theoretische Modelle zur Nutzung von Ratgeber-Podcasts

Im Gegensatz zum linearen Hörfunk gehören Podcasts zu den On-Demand-Medien, bei denen die Nutzer:innen autark über Zeit, Ort und Inhalt ihres Konsums bestimmen. Ein geeignetes Modell zur Beschreibung der Podcastnutzung ist der Uses-and-Gratification-Ansatz, der die Annahme vertritt, dass Rezipient:innen bewusst über ihren Medienkonsum entscheiden (Hugger 2008: 173). Ferner wird postuliert, dass der Selektion bestimmte Bedürfnisse zugrunde liegen, welche die Rezipient:innen durch ihren Medienkonsum zu stillen versuchen. In der Fortführung des Uses-and-Gratification-Ansatzes werden diese Bedürfnisse konkretisiert. Die Mediennutzungsforschung bedient sich verschiedener Modelle, in denen mono-, bi-, oder multifunktionale Bedürfnisse unterschieden werden. Monofunktionale Typologien konzentrieren sich auf ein gezieltes Motiv, z.B. Alltagsflucht. Bifunktionale Modelle unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Bedürfnisebenen. So differenzieren z.B. Katz et al. „surveillance and escape use of the media“ (Katz et al. 1973: 512), also kontrolliertem und eskapistischem Medienkonsum. Multifunktionale Modelle hingegen berücksichtigen die komplexen Zusammenhänge zwischen vielen Dimensionen (vgl. McGuire 1974).

Ein überschaubares Multifunktions-Modell stammt von Bonfadelli (2004). Er unterscheidet vier Bedürfnisdimensionen: kognitive, affektive, sozial-interaktive und integrativ-habituelle Bedürfnisse.

Bislang haben sich nur wenige Studien damit auseinandergesetzt, welche spezifischen Bedürfnisse die Podcastnutzung befriedigt. Eine Ausnahme stellt z.B. eine Befragung von McClung und Johnson dar, an der 354 Podcast-Nutzer:innen zwischen 18 und 34 Jahren teilnahmen. Demnach sind es fünf Faktoren, die ausschlaggebend für die Podcastnutzung sind (McClung/Johnson 2010: 88ff.): Unterhaltung, Verfügbarkeit, Organisation, Soziales und Werbung. Die Kategorien Unterhaltung und Soziales sind weitgehend deckungsgleich mit den von Bonfadelli (2004) aufgestellten affektiven und sozialen Bedürfnissen. Verfügbarkeit und Organisation hingegen beziehen sich auf die praktische Handhabung von Podcasts, genauer die Möglichkeit, Podcasts zeit- und ortsunabhängig zu nutzen (Verfügbarkeit) sowie Playlists zu erstellen und Titel offline zu speichern (Organisation).

Beide Modelle – sowohl von Bonfadelli (2004) als auch von McClung/Johnson (2010) – dienten als Vorlage der hier vorgestellten Untersuchung, in der weitere zentrale Beweggründe für die Podcastnutzung herausgearbeitet werden konnten. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass schematische Modellierungen, mit denen komplexe Zusammenhänge wie die hier untersuchten vereinfacht dargestellt werden, die Realität nicht vollständig abbilden können.

4 Vorgehen bei der Untersuchung

Die forschungsleitende Frage bezog sich auf die Nutzungsmotivation der Hörer:innen von Ratgeber-Podcasts und wurde in mehrere Unterfragen gegliedert:

1. Welche formalen und inhaltlichen Merkmale zeichnen aus Nutzer:innensicht einen Ratgeber-Podcast aus? (Definition)

2. Welche Bedürfnisse werden durch den Konsum von Ratgeber-Podcasts gestillt? (Motivation)

3. Welche praktischen Eigenschaften des Mediums sind für die Nutzer:innen relevant? (Nutzung)

Ziel der Fragestellungen war es, jene Informationen, die zur Beantwortung der Leitfrage beitragen, herauszustellen und im Kontext der bestehenden Forschung zu deuten (vgl. Gläser/Laudel 2010: 200). Als Forschungsdesign wurde eine qualitative Befragung gewählt. Dabei ging es weniger um einen repräsentativen Ergebnisgewinn als eine explorative Feldforschung, auf deren Basis weitere Untersuchungen stattfinden können. Die Befragung konzentrierte sich daher auf eine kleine, ausgewählte Stichprobe von zehn Interviewpartner:innen. Da es bislang keine spezifischen Studien über die Nutzungsstrukturen von Ratgeber-Podcasts gibt, erfolgte die Auswahl der Stichprobe anhand von einfachen soziodemografischen Merkmalen (Alter und Geschlecht), die möglichst heterogen sein sollten. Es wurden fünf Frauen im Alter zwischen 19 und 48 Jahren und fünf Männer zwischen 18 und 58 Jahren befragt. Darüber hinaus war ein zentrales Kriterium für die Auswahl, dass die Befragten explizit Ratgeber-Inhalte konsumierten.8

Als Instrument für die Befragung dienten standardisierte Leitfadeninterviews, in denen die Proband:innen ihr individuelles Nutzungsverhalten und ihre vorausgehenden Beweggründe reflektieren sollten. Die Interviews dauerten im Schnitt zwischen 30 und 45 Minuten, woraus sich insgesamt über hundert Seiten Transkript ergaben. Im Anschluss an die vierwöchige Datenerhebung wurde eine qualitative Inhaltsanalyse der Interview-Transkripte durchgeführt, das Material strukturiert und zusammengefasst wurde. Am Ende entstanden so 23 Subkategorien, die Aufschluss über die Nutzungsmotive der Hörer:innen gaben. Darüber hinaus wurden drei weitere Kategorien entwickelt, in denen Kontextinformationen wie das Nutzungsverhalten, Themenschwerpunkte der genutzten Podcasts und allgemeine Hintergründe für die Podcastnutzung erfasst wurden (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Kategorisierung Nutzungsmotive & -verhalten der Hörer:innen. (Quelle: eigene Darstellung)
Nutzungsmotive
Oberkategorie Subkategorie(n) Sub-Subkategorie(n)
Kognitive Motive Überblickswissen

Informationsgewinn

Inspiration

Orientierungswissen
Aktionswissen
Formale Ansprüche

Tonqualität

Aufbereitung

Themeneinstieg

Themenvielfalt

Informationsbündelung

Zielgruppenansprache

Emotionale Motive

Unterhaltung

Entspannung

Zeitvertreib

Eskapismus

Motivation

Achtsamkeit

Konzentration

Soziale Motive Beziehung zum Podcastenden

Glaubwürdigkeit/ Authentizität

Kompetenz

Vertrautheit

Nahbarkeit

Sympathie/Antipathie

Biografisches Interesse

Sprache und Stimmklang

Austausch mit sozialem Umfeld
Austausch mit Podcast-Community
Identitätsmotive

Selbstverwirklichung

Selbstoptimierung

Identifikation

Sozialer Vergleich

Praktische Motive

Zeitliche Flexibilität

Räumliche Flexibilität

Auditive Rezeption

Parallelität

Anonymität

Kontext-Informationen
Oberkategorie Subkategorie Sub-Kategorie
Nutzung Regelmäßigkeit

sehr regelmäßig

regelmäßig

situativ

Selektivität

eher selektiv

eher nicht selektiv

Intensität

eher konzentriert

eher unkonzentriert

Komplementarität
Hintergründe

Wirtschaft

Digitalisierung

Globalisierung

Soziokulturelle Parameter

Podcast- Themenschwerpunkte

Persönlichkeitsentwicklung

Beruf & Karriere

Sport & Gesundheit

Finanzen

Partnerschaft

Sexualität

Freizeit

Feminismus

Methodik-Wissen

5 Ergebnisse

Der nachfolgende Ergebnisbericht ist ein Auszug aus der Originalstudie und fasst die wichtigsten Aussagen zur Nutzung, den zugrunde liegenden Motiven und der gesellschaftlichen Kontextualisierung von Ratgeber-Podcasts zusammen.

5.1 Nutzung

Die Mehrheit der Proband:innen gab im Gespräch an, regelmäßig, d.h. mehrmals pro Woche, Ratgeber-Podcasts zu hören. Bei der Auswahl gingen sie eher selektiv vor, es wurden also nicht zwangsläufig alle Episoden eines Podcasts gehört, sondern gezielt Themen herausgesucht. „Ich höre von einem Podcast manchmal nur zwei Episoden, weil mich die Themen gerade interessieren“ (W48). Es scheint einleuchtend, dass Ratgeber-Inhalte eher selektiv genutzt werden, da der persönliche Bezug zum Thema hier besonders wichtig ist. Manche Hörer:innen erklärten, dass sie Podcasts vor allem aus Interesse an den auftretenden Personen auswählten: „Also mich interessiert manchmal gar nicht so sehr die Laura [Malina Seiler9], sondern mehr ihre Gäste und wen die wiederum empfehlen. Und dann hängst du da drin und dann geht eine Tür nach der anderen auf“ (M58).

Für viele der Nutzer:innen gehört das Hören von Podcasts zum Alltag, auch wenn eher keine konkreten Rituale damit verbunden wurden. Uhrzeit und situatives Umfeld der Nutzung konnten also variieren. Oft wurden verschiedene Ratgeber-Formate parallel gehört. Während einige Nutzer:innen sich dabei auf ein klares Themenfeld, z.B. Finanzen, festlegten, hörte die Mehrheit der Befragten Podcasts aus verschiedenen Themenbereichen.

„Also, ich habe ja Sachen, die so mit allgemeiner Lebensführung oder Mindset zu tun haben. Dann habe ich welche, die halt ein bisschen spiritueller sind, dann habe ich Ratgeber, die ja scheinbar auch das Thema Partnerschaft betreffen und dann habe ich Ratgeber, die eher so in das ja Business-Umfeld, Unternehmertum gehen“ (W45).

Ein Großteil der Befragten nutzte zusätzliche Medien, um sich über die Inhalte der Podcasts hinaus zu informieren. Hier wurden hauptsächlich Bücher angeführt. Als Begründung wurde erwägt, dass Bücher eine höhere Informationsdichte und Seriosität aufweisen. Zudem könne man besser mit ihnen arbeiten, weil man Textstellen unterstreichen und Notizen machen könne. Während Bücher für eine vertiefende fachliche Weiterbildung genutzt wurden, ebneten Podcasts vielmehr den Einstieg in ein Themengebiet, in dem noch keine oder nur wenig Expertise vorhanden war.

5.2 Kognitive Motive

Die Auswertung der Antworten zu den Nutzungsmotiven ergab, dass vor allem kognitive Faktoren darüber bestimmen, ob und wie intensiv Ratgeber-Podcasts gehört wurden. Die kognitive Dimension beschreibt die rationalen Informationsbedürfnisse der Podcast- Nutzer:innen, die „aus den Orientierungs- und Entscheidungsproblemen“ (Bonfadelli 2004: 7) resultieren, mit denen ein Mensch im Alltag konfrontiert wird. Atkin (1973) unterteilt das Informationsbedürfnis in Überblicks-, Orientierungs- und Aktionswissen (Schweiger 2007: 94). Das Motiv Überblickswissen wurde im Zuge der Auswertung in Informationsgewinn und Inspiration unterteilt. Beim Informationsgewinn war die prävalente Erwartungshaltung an den Podcast, dass Inhalte vermittelt werden, die neu und relevant für die Nutzer:innen sind. Redundanzen hingegen führten eher dazu, dass sich diese von dem Podcast abwendeten. Auch musste das Thema des Podcast mit den Nutzer:innen in Resonanz treten, sie also persönlich betreffen oder ihre Neugier wecken. Das Motiv Inspiration hingegen war unspezifischer und erwartungsoffener als der Informationsgewinn. Faktizität und Relevanz der Inhalte spielten hier eine untergeordnete Rolle. Vielmehr suchten die Hörer:innen nach kreativen Denkanstößen: „Da denke ich dann, vielleicht ist da ein Impuls für mein Leben drin“ (W48).

Orientierungswissen hingegen dient der Einordnung von Sachverhalten. Hier geht es darum, Zusammenhänge zu verstehen und richtig zu bewerten, wofür häufig die Meinungen anderer Personen herangezogen werden. In Bezug auf Ratgeber-Podcasts spielt Orientierungswissen eine wichtige Rolle, da im Gegensatz zu reinen Wissensformaten nicht ausschließlich Fakten präsentiert werden, sondern vor allem der Bezug zu den Hörer:innen relevant ist. Eines der meist genannten Argumente der Befragten war, dass sie Ratgeber-Podcasts nutzten, um sich einem Thema aus einer neuen Perspektive zu nähern und sich die Meinung einer neutralen Person einzuholen. So könne der Podcast z.B. dabei helfen, sich reflektierter mit der eigenen Lebenssituation auseinanderzusetzen und letztlich bessere Entscheidungen zu treffen: „Vielleicht, weil es ein Außenstehender ist, der einen eben nicht kennt, einem keinen freundschaftlichen Rat gibt in dem Sinne, sondern einen Ratschlag, der mit dem eigenen Leben irgendwo nichts zu tun hat“ (M32).

Beim Motiv Aktionswissen geht es um praktische Ratschläge, die die Hörer:innen dazu befähigen, Wissen zu adaptieren und selbst aktiv zu werden. Diese Kategorie ist entscheidend, wenn es darum geht, den Begriff ‚Ratgeber’ von anderen Sachformaten wie etwa Nachrichtensendungen abzugrenzen. Letztere enthalten zwar in der Regel eine Reihe von Fakten, bieten aber keine konkreten Verhaltensstrategien für die Hörer:innen an.

„Ich glaube, Podcasts können auf der Ebene, wo man selber noch psychisch gesund ist, aber merkt, man hat Probleme, ganz gut greifen. […] Aber wie man immer sagt: Coaches oder Trainer können gesunden Leuten helfen, sich zu verbessern oder was anzustoßen, was schon da ist. Wenn man wirklich ernsthafte psychische Probleme hat, finde ich, sollte man wirklich genauer hinschauen […].“ (W19)

Auch formale Ansprüche an den Podcast waren ausschlaggebend für die Nutzung. Hierbei ging es z.B. um die Tonqualität, die inhaltliche Aufbereitung sowie die Ansprache einer konkreten Zielgruppe (z.B. Finanzratgeber für Frauen). Viele der befragten Nutzer:innen erhofften sich vom Podcast eine klare Struktur und Informationsbündelung, um sich einen Überblick über ein Thema zu verschaffen. „Die meisten Medien sind nur auf Effekthascherei aus. […] Aber die wirkliche Information spielt sich unterhalb der Dramen ab. […] Wo es ein bisschen solider ist. Also nicht der Journalist, der schnell mal anruft und sich zwei Meinungen einholt“ (M58).

5.3 Emotionale Motive

Der gezielte Einsatz von Medien zur Stimmungsregulierung wird auch als Mood Management bezeichnet. Ziel des Mood Managements ist die „Herstellung eines stimulierenden Gleichgewichts“, „die Maximierung eines positiven Gefühlszustandes” und die „Minimierung von aversiven Gefühlen“ (Zillmann/Bryant 1985, zit. nach Batinic 2008: 117). Zu den affektiven bzw. emotionalen Motiven gehören laut Bonfadelli (2004) z.B. Entspannung, Unterhaltung und Ablenkung. Schweiger ergänzt u.a. Zeitvertreib (vgl. Schweiger 2007: 109).

Im Gegensatz zu kognitiven Motiven finden emotionale Nutzungsmotive häufig unbewusst statt. Es ist daher schwieriger für die Hörer:innen, diese konkret zu benennen. Dennoch konnten im Zuge der Inhaltsanalyse Aussagen herausgearbeitet werden, denen emotionale Motive zugrunde lagen. Neben offensichtlicheren Motiven wie Unterhaltung, Entspannung und Eskapismus wurden auch Faktoren wie Motivation, Achtsamkeit und Konzentration herausgestellt. Motivation als Nutzungsmotiv wird beispielsweise bei Fitness-Ratgebern gesucht. So hörte ein Proband den Podcast gezielt während seiner Trainingseinheiten, weil er die mentale Unterstützung schätzte. Ratgeber-Podcasts können zudem laut Aussagen einiger Interviewpartner:innen dazu beitragen, das Bewusstsein für bestimmte Problemfelder zu schärfen: „Und wenn ich merke, ich habe eine negative Resonanz zu etwas, irgendetwas stört mich gerade, dann will ich da reingehen und schauen, was sich dahinter verbirgt oder was ich vielleicht ausblende“ (M58). Ein Podcast kann demzufolge helfen, Achtsamkeit für den Ist-Zustand zu erlangen, diesen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern. Am häufigsten wurden Podcasts jedoch zum Zeitvertreib genutzt, z.B. um längere Reisezeiten zu überbrücken. Auf Autofahrten könnten Podcasts außerdem helfen, sich besser zu konzentrieren.

5.4 Soziale Motive

Anders als bei reinen Wissensformaten geht es bei Ratgeber-Formaten darum, die Rezipient:innen nicht nur zu informieren, sondern auch zu unterstützen und Problemlösungskompetenzen zu vermitteln. Dabei kommen auch soziale Bedürfnisse zum Tragen, die „auf dem Wunsch nach Geselligkeit [...] und Anerkennung durch andere Menschen“ (Bonfadelli 2004: 8) basieren. Diese Erkenntnis lässt sich auch auf die Nutzung von Ratgeber-Podcasts übertragen. Je intensiver ein Podcast gehört wird, desto eher entsteht eine parasoziale Beziehung zum Podcaster bzw. zur Podcasterin, bei der die Hörer:innen das Gefühl haben, ihr virtuelles Gegenüber zu kennen und zu vertrauen (vgl. Schweiger 2008: 221ff.). Zu dieser ‚Vertrautheit’ kommt die Auditivität von Podcasts, wodurch die Kommunikation nicht nur persönlicher, sondern auch direkter als in schriftlichen Medien ist, da die Hörer:innen keine komplexen Satzkonstruktionen verarbeiten müssen. Tatsächlich nehmen sich die Befragten selbst häufig als eine Art passive:n Gesprächspartner:in wahr: „wenn du dann die Stimme erkennst, ist es mehr oder weniger, wie wenn du deinen Nachbarn hörst. Allein von diesem auditiven Signal nimmst du das wahr, als ob die Person ein Stück weit zu deinem Leben gehört“ (W32).

Neben Sympathie und Glaubwürdigkeit muss die bzw. der Podcaster:in aus Sicht der Befragten vor allem eine hohe fachliche Kompetenz ausstrahlen; viele zeigten ein ausgeprägtes Interesse an der Biographie der Podcaster:innen. Hier offenbart sich ein wesentlicher Unterschied zu Ratgeber-Büchern, deren Autor:innen aufgrund der schriftlichen Ausdrucksweise weniger zugänglich wirken. Die Nahbarkeit und der Stimmklang der Podcaster:innen sind demzufolge zwei weitere wichtige Faktoren bei der Auswahl eines Podcasts.

5.5 Identitätsmotive

Entdecken die Nutzer:innen Parallelen zwischen sich und der Podcasterin bzw. dem Podcaster oder sehen sie als Vorbild an, so kann es zu einer Identifikation mit diesen kommen. Die Interviews zeigten jedoch, dass bei den befragten Hörer:innen nur selten eine (bewusste) Identifikation mit den Podcaster:innen stattfand. Zwar wurde erwähnt, dass die Person einen ähnlichen Interessenschwerpunkt oder auch -konflikt haben müsse, eine Identifikation jedoch nur begrenzt stattfinde. „Also z.B. beim Sport-Podcast ist die einzige Identifikation, die man hat, oder die Gemeinsamkeit, dass beide gerne Sport machen. Aber ich weiß ja nicht, wie der sich politisch oder persönlich verhält“ (M32). Diese distanzierte Haltung spiegelt sich auch darin wider, dass häufig mehrere Podcasts zu ähnlichen Themenschwerpunkten gehört wurden. Die Nutzer:innen wägten also ab, welcher Podcast ihre Erwartungen am ehesten erfüllte und widmen sich den Formaten durchaus kritisch und reflektiert.

Darüber hinaus wurde innerhalb der Identitätsmotive zwischen Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung unterschieden, wenngleich die Abgrenzung weniger trennscharf war. Ein Hörer entschied z.B. kurzfristig, sich durch einen Podcast Wissen für seine Finanzplanung anzueignen (Selbstoptimierung), um sich langfristig Träume wie eine größere Reise und später ein Eigenheim zu erfüllen (Selbstverwirklichung): „wie kann ich das, was mir erzählt wird umsetzen, was kann ich daraus machen und wie kann ich mehr Menschen dabei helfen, das zu erreichen, was ihr Kernthema ist?“ (M52). Die Selbstoptimierung durch Ratgeber-Podcasts bezieht sich also eher die Aneignung von Methoden und Strategien, die auf lange Sicht zur Selbstverwirklichung beitragen, und nicht, wie in der Einleitung vermutet, den reinen Selbstzweck, der aus einem kollektivem Gesellschaftszwang entwächst.

5.6 Praktische Motive

Bei den praktischen Nutzungsmotiven dominieren vor allem die räumliche und zeitliche Flexibilität von Podcasts, die es den Nutzer:innen erlauben, den Podcast in jeder beliebigen Situation zu hören. Die verbesserte Bedienbarkeit, die vor allem auf die Entwicklung von Streaming-Diensten zurückzuführen ist, hat dazu beigetragen, dass einige Hörer:innen ihre Podcastnutzung intensiviert haben.

„Zum Beispiel die Laura [Malina Seiler] habe ich vorher auch auf YouTube angehört und irgendwann sagte halt ein Freund zu mir, das ist doch ein bisschen kompliziert, mach das doch über die Podcast-App. […] Und dann bin ich aus allen Wolken gefallen und da ich ein iPhone habe, ist es ja auch noch vorinstalliert und habe festgestellt, es ist wirklich viel, viel einfacher. Weil, du kannst ja theoretisch Sachen parallel machen, wenn du willst und die App merkt sich ja, wo ich bin. D.h. mich schrecken lange Folgen nicht mehr ab, weil dann höre ich die halt in Häppchen“ (W45).

Durch die auditive Rezeption bzw. die Möglichkeit, neben dem Podcast-Hören parallele Tätigkeiten auszuüben, wird die Flexibilität der Nutzung zusätzlich gesteigert. Die meisten befragten Hörer:innen von Ratgeber-Podcasts gehen bei der Auswahl der Inhalte selektiv vor, indem sie z.B. einzelne Episoden verschiedener Sendungen hören. Andere Formate wiederum werden chronologisch gehört. Die Aufmerksamkeit der Hörer:innen hängt sowohl vom Podcast-Inhalt als auch von der etwaigen Nebentätigkeit ab. In Bezug auf Ratgeber-Inhalte ist auch die Anonymität des Mediums von Bedeutung, da nicht jede:r Hörer:in eine persönliche Beratung aufsucht oder in der Öffentlichkeit mit einem Handbuch zur Selbsthilfe gesehen werden möchte. Die Möglichkeit, Ratgeber-Podcasts vom Umfeld unbemerkt zu rezipieren, wird als ein großer Vorteil gesehen. Die rein akustische Wahrnehmung wirkt sich darüber hinaus auch auf die Beziehung zu den Podcaster:innen aus:

„Ich glaube, dass dieser Abstand des fehlenden Bildes z.B. die Möglichkeit gibt, das intim an sich heranzulassen. […] Also, es ist schon was anderes, ob man einen Stöpsel im Ohr hat und quasi durch die Gesellschaft laufen kann und sich gleichzeitig beraten lassen kann oder ob man vor so einem Rechner sitzt, wo auf einmal irgend so ein Glatzkopf sitzt, der dir eh schon unsympathisch vorkommt und dir dann irgendwelche Ratschläge geben will.“ (M32).

5.7 Gesellschaftliche Kontextualisierung

In der Einleitung wurden bereits mehrere Ansätze aufgezeigt, die versuchen, die Popularität von Ratgeber-Medien zu erklären. Es wurde postuliert, dass der Trend sowohl aus medienwissenschaftlicher als auch soziokultureller Sicht erklärt werden kann. Aus den Einschätzungen der Hörer:innen zur gesellschaftlichen Bedeutung von Ratgeber-Podcasts gingen vier Hauptargumente hervor: Wirtschaft, Globalisierung, Digitalisierung und Zeitgeist. Aus ökonomischer Sicht werden Podcasts von den Befragten vor allem als ein weiterer Kanal des Ratgeber-Marktes verstanden. Akteur:innen aus der Beratungsbranche entdecken in Podcasts ein Sprachrohr für ihre Themen und eine kostenlose Werbeplattform für ihre (meist kostenpflichtigen) Workshops, Seminare und Bücher. Dazu ein Interviewpartner: „Das höre ich bei vielen Podcasts: ‚Wenn dich das Thema XY interessiert, dann buch doch jetzt meinen Kurs’“ (M52). Auch die Globalisierung könnte eine Rolle bei der Entwicklung von Ratgeber-Formaten spielen, denn die Themen Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung seien – so eine Interviewpartnerin – erst durch den massiven Trend in den USA auch in Deutschland „salonfähig“ geworden.

Das am meisten genannte Argument für die Beliebtheit von Ratgeber-Podcasts war jedoch das Schlagwort Digitalisierung.

„Ich glaube, dass der Mensch im Großen und Ganzen recht faul geworden ist, wenn es um Wissensbeschaffung geht, weil wir uns einfach daran gewöhnt haben, dass uns Informationen von allen Seiten zugeworfen werden und wir nicht mehr wirklich dazu bereit sind, uns mal selber hinzusetzen und Sachen rauszuarbeiten, rauszufinden, zu erforschen vielleicht auch. Und da ist halt das Format Podcast irgendwie angenehm, weil man sich nur die Kopfhörer reinstöpselt, zuhört, und wenn man was nicht verstanden hat, spult mal zurück, wenn es einen langweilt, spult man vor oder hört ganz auf und nimmt halt die nächste Folge. Ich glaube, dieses Thema Bequemlichkeit und sich irgendwie daran gewöhnt zu haben, dass man relativ leicht und Informationen kommt, spielt da eine große Rolle.“ (W19)

Diese pointierte Zusammenfassung einer jungen Hörerin beschreibt den Kern der heutigen Informationsgesellschaft, in der es durch die Digitalisierung leichter denn je geworden ist, komprimiertes Wissen zu erlangen. Auch technische Entwicklungen wie Streaming-Plattformen haben aus Sicht der Befragten Auswirkung auf das Konsumverhalten, weil sie die Rezeption von Podcasts vereinfachen. Darüber hinaus führten einige Hörer:innen die Popularität von Ratgeber-Formaten auch auf den allgemeinen Zeitgeist zurück:

„Wenn ich so darüber nachdenke, passen Ratgeber-Podcasts, glaube ich, krass in die Zeit, wo alle irgendwie danach streben, sich selbst zu optimieren. [...] Ich glaube, deswegen suchen Leute auf verschiedenen Wegen und Medien irgendwie Ratgeber und Hilfe. Sozusagen, um selber perfekter zu werden, sich selbst zu optimieren und dann ist natürlich Podcast eines der Medien, die man benutzt“ (M33).

Viele Nutzer:innen interpretierten das Hören von Ratgeber-Podcasts als eine Art Sinnsuche. Eine Probandin zog sogar in Erwägung, dass der Ratgeber-Kosmos für viele Menschen eine Art Ersatzreligion darstelle, da die Kirche ihren kollektiven Einfluss und ihre Deutungshoheit weitgehend verloren habe. Auffällig ist hierbei, dass sich viele der oben genannten Mutmaßungen über die allgemeine Nutzung von Ratgeber-Podcasts selten mit dem deckten, was die Hörer:innen über ihre persönliche Nutzung aussagten – wohl auch, weil es leichter fällt, ein abstraktes Phänomen zu beschreiben, als die eigenen Motive bewusst zu reflektieren.

6 Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse der Untersuchung haben gezeigt, dass Ratgeber-Podcasts vorwiegend aufgrund von kognitiven Nutzungsmotiven sowie den praktischen Vorzügen des Mediums gehört werden. Hervorzuheben sind das Wissen und die Problemlösungskompetenzen, die in Ratgeber-Podcasts vermittelt werden. Die Beziehung zu den Podcaster:innen, besonders deren Kompetenz und Glaubwürdigkeit, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Im Idealfall schafft es der Podcast, neben Informationen einen gewissen Unterhaltungswert zu bieten. Die Möglichkeit, Podcasts zeit- und ortsunabhängig zu konsumieren, erleichtert es den Hörer:innen, diese in ihren Alltag zu integrieren. Trotz dieser Vorzüge gelten Podcasts keineswegs als Ersatz für Ratgeber-Literatur, sondern ergänzen diese vielmehr. Menschen, die sich für ein spezielles Ratgeber-Fachgebiet interessieren und bislang ausschließlich auf Bücher zurückgreifen mussten, können in Podcasts eine spannende Alternative für sich entdecken. Podcast-Hörer:innen werden im Gegenzug auf Ratgeber-Themen aufmerksam, mit denen sie sonst möglicherweise nicht in Berührung gekommen wären.

Die niedrigen Einstiegshürden bei der Podcast-Produktion und -Distribution öffnen den Markt für eine Vielzahl von Laienproduktionen. Der technische Aufwand hinter der Podcast-Erstellung ist vergleichsweise gering und für die Veröffentlichung braucht es weder einen Verlag noch einen Sender. Somit kann potentiell jede:r zum bzw. zur (Ratgeber-)Podcaster:in werden. Die Hörer:innen selbst müssen entscheiden, wie sie die Qualität der Inhalte einordnen. Eine kritische Grundhaltung scheint deshalb gerade in Bezug auf Ratgeberthemen empfehlenswert – in dieser Hinsicht verdeutlichen die Interviews, dass die befragten Hörer:innen durchaus reflektiert (und selektiv) mit den Podcast-Inhalten umgehen.

Unabhängig davon können Ratgeber-Podcasts wertvolle Gedankenanstöße und Instrumente vermitteln, die den Hörer:innen dabei helfen, ihr eigenes Leben produktiver, sinnhafter und erfolgreicher zu gestalten. Die hohe Verbreitung und Beliebtheit von Ratgeber-Podcasts (s. Abschnitt 2) legen nahe, dass viele Menschen ein Bedürfnis nach eben jener Unterstützung haben. Ob dieses Bedürfnis das Produkt einer verunsicherten „Ratgeber-Gesellschaft“ ist, wie es das Zitat von Prisching (2006: 115) in der Einleitung dieses Textes nahelegt, kann und soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Hierzu bedarf es weiterführender soziologischer Forschung. Aus medienwissenschaftlicher Sicht jedoch ist klar zu erkennen, dass Ratgeber-Medien – seien es Podcasts, Bücher oder andere Formate – aktuell besonders erfolgreich sind. Ob sie die Lebensqualität der Nutzer:innen tatsächlich positiv beeinflussen können, hängt sowohl von der Qualität der Inhalte als auch der Bereitschaft der Rezipient:innen ab, das gelernte Wissen umzusetzen. Auch hierzu wären weiterführende Studien sinnvoll.

Aus den Erkenntnissen dieser Arbeit ergeben sich darüber hinaus weitere Forschungsfragen. So wäre es beispielsweise interessant, repräsentative Befragungen zur Podcastnutzung durchzuführen, die u.a. darauf abzielen könnten, Nutzungsmotive für andere Podcast-Genres herauszufinden. Aus soziologischer Sicht scheint es vor allem sinnvoll zu erforschen, welche Rolle Podcasts im Beratungskontext einnehmen und welche Potentiale sich hieraus ergeben. So haben etwa Bildungseinrichtungen und Beratungsstellen die Chance, das bestehende Medienrepertoire zu erweitern und damit neue, audioaffine Zielgruppen zu erreichen. Bisher finden sich zudem nur wenige Ratgeber-Formate öffentlich-rechtlicher Sender oder Verlage auf den Podcast-Plattformen. Hier könnten interessante Synergien zwischen Fachwissenden und Journalist:innen entstehen, wie sie bereits in anderen Medien genutzt werden (vgl. etwa das GEO-Magazin Wohllebens Welt).

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Nutzung von Podcasts im Allgemeinen und dem populären Genre der Ratgeber-Podcasts im Speziellen bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Nicht nur Vertreter:innen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, sondern gerade auch aus der Medienwirtschaft sollten verstärkt untersuchen, aus welchen Gründen sich Hörer:innen welchen Themen zuwenden, welche praktischen, kognitiven und emotionalen Motive sie dabei leiten, und wie sich diese Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Formate nutzen lassen. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, welche Rolle digitale Medien schon jetzt in der Beratungsbranche einnehmen und wie sich diese in Zukunft noch gezielter einsetzen lassen. Ziel der hier vorgestellten, explorativen Untersuchung war es, erste Ansätze dafür herauszuarbeiten – und damit weitere Studien zur Hörerschaft von Podcasts und zur Rezeption digitaler Ratgebermedien anzuregen.

Literatur

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Datenverfügbarkeit

Alle relevanten Daten befinden sich innerhalb der Veröffentlichung.

Interessenskonfliktstatement

Die Autor:innen erklären, dass ihre Forschung ohne kommerzielle oder finanzielle Beziehungen durchgeführt wurde, die als potentielle Interessenskonflikte ausgelegt werden können.


  1. Die hier vorgestellte Studie wurde 2019 im Rahmen der Abschlussarbeit der Autorin im Masterstudiengang Journalistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Hamburg durchgeführt.↩︎

  2. Die Auswahl befindet sich bei diesen Plattformen auf der Einstiegsseite innerhalb der Podcast-Rubrik. Auf welcher Basis (Klickzahlen, Neuerscheinungen, Werbeverträge) die Rankings erfolgen, ist nicht ersichtlich.↩︎

  3. https://soundcloud.com/amindfulmess (Zugriff am 12.09.2020).↩︎

  4. https://alloleute.podigee.io/ (Zugriff am 12.09.2020).↩︎

  5. https://www.aktienmitkopf.de/blog/podcasts (Zugriff am 12.09.2020).↩︎

  6. https://mindpreneure.de/bewusst-leben-podcast (Zugriff am 12.09.2020).↩︎

  7. https://art19.com/shows/das-gewuenschteste-wunschkind (Zugriff am 12.09.2020).↩︎

  8. Die Teilnehmer:innen wurden auf zwei Wegen rekrutiert. Sieben von zehn Befragten wurden über Facebook-Gruppen angesprochen. Die Aufrufe erfolgten in drei Gruppen: die „AWESOME PEOPLE Family“, einer Netzwerkgruppe des Podcasters Robert Gladitz, „Wir sind Podcast-Helden”, einer Gruppe zur Unterstützung beim Aufbau eines eigenen Podcasts sowie in „FEMALE FUTURE FORCE“, einem Frauennetzwerk, in dem sich die Mitglieder über Karriere-, Business- und Persönlichkeitsthemen austauschen. Darüber hinaus wurden drei Teilnehmer:innen über private und berufliche Kontakte akquiriert, sodass eine gleichmäßige Verteilung über Geschlecht und Alter hinweg erreicht werden konnte.↩︎

  9. Laura Malina Seiler ist Host von Happy, Holy & Confident, einem der meistgehörten Ratgeber-Podcasts zu Themen wie Spiritualität und Selbstwahrnehmung (https://lauraseiler.com/podcast/; Zugriff am 12.09.2020).↩︎